Eine interessante Herangehensweise für ein Debüt auf Albumlänge stellt „Land Speed Record“ auch noch vier Jahrzehnte später da: 1981 in Minneapolis aufgenommen, ist das Album streng genommen eigentlich „nur“ ein nicht mal halbstündiger Konzertmitschnitt. Aber was für einer! Schon das Cover mit den Särgen amerikanischer Soldaten transportiert die Antihaltung der frühen Subkultur (heute schockiert es natürlich nicht mehr wirklich). Der Titel wiederum spielt auf die Vorliebe der Band für Amphetamine wie auf den Geschwindigkeitsrausch der frühen HÜSKER-DÜ-Konzerte an. Die Vierspur-Soundboard-Aufnahme des Konzerts ist qualitätsmäßig natürlich gewöhnungsbedürftig, aber immerhin für die Umstände ganz ordentlich. 17 Songs in 26 Minuten – die Schlagzahl ist hoch und so lässt der Mitschnitt nicht wirklich eine Atempause zu, zumal sich die Tracks auch in der CD-Version nicht skippen lassen. Seite A und Seite B. Das war’s. Dazwischen eine beeindruckende Tour de Force in pfeilschnellem Hardcore, bei dem die Übergänge zwischen den Songs zerfließen und man sich fragt, wie die Band das konditionsmäßig wohl geschafft hat. Ein kleiner Teil der Titel findet sich dann auf der 1983er Veröffentlichung „Everything Falls Apart“ in Studioqualität. Auf dem Reissue mit dem ergänzenden „And More“ von 1993 sind noch mehr Songs enthalten. Bei dieser frühen Live-Aufnahme jedoch schon ersichtlich und beeindruckend: Das Talent jedes Einzelnen an seinem Instrument. Präzise, mit (Mikro-)Melodien, krassen Breaks, Geshoute und, wie gesagt, Tempo ist „Land Speed Record“ neben diversen Dischord-Veröffentlichungen eine wichtige Blaupause des frühen Hardcore. Mindestens ebenso spannend ist die Weiterentwicklung der Band, die auf den folgenden Veröffentlichungen zunehmend das Tempo rausnimmt, die Melodien gekonnt aufbläst und auch textlich mehr Tiefe erlangt. Wer „Candy Apple Grey“ nach „Land Speed Record“ auflegt, wird die Band nicht anhand des Musikstiles erkennen, sondern lediglich an ihrem Sound. Der ist nämlich schon auf dem Debüt so „dünn“ wie „laut“: Die Gitarren sägen, die Drums bollern. Viel geändert wurde daran auch die Folgejahre nicht. Aber so wie das Frühwerk trotz des riesengroßen Unterschiedes irgendwie gleichwertig neben den späten HÜSKER DÜ steht, macht der Sound auch für viele bis heute den Reiz aus. Und wer „Land Speed Record“ in etwas besserer Qualität hören möchte, greift zum Boxset „Savage Young Dü“, das neben diversen frühen Aufnahmen auch das identische Live-Set beinhaltet – nur eben zwei Wochen später aufgenommen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #157 August/September 2021 und Michael Schramm
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