Als sich 4 PROMILLE 2007 auflösten, dachten ihre Fans: Die sehen wir nie wieder. Aus „nie“ wurden dann doch nur knapp vier Jahre, denn seit 2011 sind 4 PROMILLE aus Düsseldorf wieder umtriebig. Zuerst nur auf den Konzertbühnen des Landes, mittlerweile arbeiten sie aber auch wieder an Songs für eine neue Platte. Und auch wenn die erst 2014 erscheinen soll, ist es angesichts von erfolgreichen Reunion-Auftritten unter anderem in Hamburg, Leipzig und ihrer Heimatstadt an der Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen und zu schauen, was die Zukunft so bringen könnte. Im Proberaum in Düsseldorf-Flingern – gleich neben dem der BROILERS übrigens – sprachen Sängerin Melly und ihre Kollegen Thomas, Martin und Ralf über den Rücktritt vom Rücktritt, gealterte Oi!-Punks und überflüssige Diskussionen über die politische Einstellung der Band.
Ihr habt euch 2007 aufgelöst und seinerzeit betont, dass es das mit 4 PROMILLE gewesen sei. Definitiv. Dann hattet ihr 2011 beim Spirit From The Street-Festival plötzlich wieder einen Auftritt. Und jetzt sitzen wir bei euch im Proberaum und sprechen über 4 PROMILLE! Was ist da passiert?
Melly: Es war tatsächlich fest geplant, dass es nicht mehr weitergeht mit der Band. Dann bekamen wir plötzlich das Angebot, beim Spirit-Festival zu spielen und haben uns gesagt: Okay, das machen wir. Schauen wir doch spaßeshalber, ob wir es noch einmal schaffen, ein komplettes Set auf die Bühne zu bringen. Dafür haben wir ein halbes Jahr geprobt – und trotzdem sollte das eine einmalige Sache bleiben. Aber dann ...
... kam der Auftritt.
Melly: Genau. Wir waren auf der Bühne. Und hinterher haben wir darüber geredet, wie es denn wäre, wenn ...
Thomas: Na ja, es war vor allem Melly, die total begeistert von der Bühne runterkam und das Thema aufbrachte.
Ralf: Ich war mir da beispielsweise gar nicht so sicher. Natürlich lief der Gig super. Aber dass es so schnell weitergehen würde mit der Band, hätte ich nicht erwartet. Erst als wir uns kurz darauf alle zusammen mal zum Essen getroffen haben, dämmerte es mir, dass was daraus werden könnte. Da kam das Thema Reunion auf den Tisch. Jeder hat was dazu gesagt, und es war schnell klar, dass eigentlich alle wieder Lust darauf hätten, was als 4 PROMILLE zu machen. Und zwar richtig! Denn wir wollten auf keinen Fall als unsere eigene Oldie-Band zurückkommen. Wenn, dann müsste irgendwann auch ein neues Album her.
Nicht begeistert von der Reunion scheint euer ehemaliger Sänger und Gitarrist Volker gewesen zu sein. Er sitzt heute nicht mit uns hier.
Ralf: Richtig. Volker war der einzige, der sich das überhaupt nicht vorstellen konnte. Er hat gleich klipp und klar gesagt, dass seine derzeitige Band, die PORTERS, Priorität hätte. Das sei das, was er machen wolle. Und zwei Bands parallel würden für ihn nicht funktionieren.
Hat er sich in irgendeiner Weise quergestellt – immerhin war er einer der Gründer von 4 PROMILLE?
Ralf: Nein. Da sind leider viele blöde Gerüchte in die Welt gesetzt worden. Deshalb können wir hier und heute damit aufräumen und sagen: Wir sind absolut im Guten auseinandergegangen. Er hat uns gesagt, dass er überhaupt kein Problem damit habe, wenn wir wieder als 4 PROMILLE unterwegs sein und uns einen Ersatz für ihn suchen würden.
Melly: Oh ja, und diese Suche, die war mitunter echt haarsträubend. Ein bisschen so wie DSDS ...
Das lief im klassischen Casting-Stil ab?
Melly: Ja. Wir haben die potenziellen Gitarristen alle zum Vorspielen in unseren Proberaum eingeladen. Und da war zum Beispiel ein Typ dabei, der konnte nicht mal seine Gitarre halten, geschweige denn sie stimmen. Der hat sich einfach gedacht: Och, bei 4 PROMILLE im Proberaum, das ist auch mal schön. Gut, dass wir am Ende Martin gefunden haben!
Apropos Proberaum: Wie liefen die ersten Proben nach vier Jahren?
Melly: Das war ganz, ganz komisch. Ich hatte vorher gedacht: Alles klar, das wird wie früher. Das hast du alles noch drauf. Aber dann ... Es ist unglaublich, wie schnell man die Texte wieder vergisst. Ich stand da und war erst mal im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos.
Ralf: Das war wirklich nicht ganz einfach. Bei den komplizierteren Stücken wusste von uns keiner mehr so genau, wie es geht.
Jetzt habt ihr wieder eine ganze Reihe von Auftritten hinter euch und könnt ein erstes kleines Fazit ziehen. Wie ist das Gefühl, als Totgesagte doch wieder auf der Bühne zu stehen?
Melly: Das ist der Wahnsinn! Gerade in Leipzig, wo wir im Conne Island gespielt haben, einem Laden, den wir schon ewig kennen und wo sich die Leute immer unheimlich um uns gekümmert haben. Dieser Abend war unfassbar. Wie die uns gefeiert haben da! Dann Hamburg – das war auch super. Und über das Konzert im Tube in Düsseldorf brauchen wir nicht zu reden, das war ein Heimspiel. Das konnte nur erstklassig werden.
Ralf hat es eben schon erwähnt: ein neues Album ist in Arbeit?
Ralf: Ja. Auf jeden Fall. Das geht mal schneller und mal langsamer. Aber es ist unser Ziel. Wir hoffen, dass wir spätestens 2014 damit auf Tour gehen können.
Melly: Wir spielen ja schon drei neue Lieder im aktuellen Set. Aber natürlich muss da noch dran geschliffen werden. Und das dauert. Schließlich müssen wir zwischendurch ja auch noch ganz normal proben und haben nicht die Zeit, uns ausschließlich um die Musik zu kümmern. Wir sind ja alle berufstätig. Das läuft nicht so wie bei unseren Proberaumnachbarn, den BROILERS, haha. Unser Ziel ist einfach, eine gute, neue Platte zu machen. Was dann noch kommt, steht in den Sternen.
Als ich mich auf dieses Interview vorbereitet habe, bin ich im Internet auf eine Rezension eures bislang letzten Albums, „Alte Schule“, gestoßen, in der es heißt: „4 PROMILLE gehören jetzt zu den führenden Oi!-Punk-Bands in Deutschland.“ Seht ihr das auch so?
Ralf: Na ja. War „Alte Schule“ wirklich noch die Platte einer Oi!-Band? Also ich würde eher sagen: Punkrock ja. Aber Oi!? Nein, eher nicht mehr.
Thomas: Ich denke auch, dass wir schon lange keine Oi!-Band mehr sind. Ich meine, schau uns an: Wer ist hier noch Skinhead außer mir, der naturbedingt keine Haare mehr auf dem Kopf hat? Hahaha. Gerade das „Alte Schule“-Album hat doch viel mehr Facetten. Entsprechend gab es bei der Veröffentlichung auch viel Kritik aus der Szene.
Melly: Was ja auch gut ist. Es muss nicht allen gefallen. Wir machen das, was uns Spaß macht – und das ist das Wichtigste.
Thomas: Gerade „Alte Schule“, das keinen reinen Oi!-Punk mehr enthält, halte ich übrigens für unsere beste Platte. Es ist zumindest die einzige von uns, die ich mir zu Hause noch anhöre.
Das klingt jetzt so, als würdet ihr euch ein bisschen von den Wurzeln distanzieren.
Ralf: Nein. Es ist doch vielmehr so: Wenn du älter wirst, dann wird die Welt größer. Die Musik entwickelt sich weiter. Das Spektrum wird breiter. Das ist irgendwann nicht mehr mit dem zu vergleichen, was man mit 15, 16 gemacht und gemocht hat. Natürlich höre ich privat auch noch viel Oi! und Punk generell, und natürlich würde ich 4 PROMILLE weiterhin als Punkrock-Band bezeichnen. Aber das ist eben nicht mehr alles. Sieh mal: Früher, so 1983, ’84, haben wir alles, was anders war als Punk, scheiße gefunden. Aber heute laufen bei Punk-Konzerten doch längst nicht mehr nur Punks rum, sondern alle möglichen Leute: Punks, Skins, Mods, Normalos. Das wäre in den Achtzigern keine fünf Minuten gut gegangen.
Ist diese Entwicklung wünschenswert – gerade weil sich eine Szene doch immer auch durch ihren Idealismus und ihre Abgrenzung vom Mainstream abhebt?
Ralf: Es ist schon okay, dass es sich so entwickelt hat. Alles ist nicht mehr so festgefahren. Alles ist entspannter. Aber man muss tatsächlich sagen, das Besondere und die Identität gehen ein wenig verloren. Wobei, in unserem Alter sind wir auch froh darüber, wenn ein Konzert mal ruhig über die Bühne geht. Und das zeigt wiederum, wir sind heute nicht mehr die Erste-Wahl-Band für den 16-jährigen Skinhead. Der würde eher zu STOMPER 98 gehen oder so.
Thomas: Wir sind da schon eher die Enttäuschung des Abends, hahaha.
Ralf: So kann man das auch sagen. Aber ich muss und will ja auch nicht mehr die Identifikationsfigur für den jungen Skinhead sein. Das wäre nicht ehrlich. Und wenn es nicht mehr ehrlich wäre, wäre es erst recht kein Punkrock mehr.
Thomas: Am wichtigsten ist der Spaß an der Musik, nicht das Durchdrücken der Szene-Ideale.
Trotz dieses Spaßes, möchte ich auch auf ein hässliches Thema zu sprechen kommen: Wer euch bei Konzerten oder in Runden wie dieser hier erlebt, der kann so gar nicht verstehen, dass ihr immer mal wieder mit politisch dubiosen Bands wie FREI.WILD in einen Topf geschmissen werdet – oder dass ihr für die Betreiber der Internetseite „Oire Szene“ zu den so genannten Grauzonen-Bands gehört, die sich unpolitisch geben, sich dadurch nicht gegen rechts abgrenzen und deshalb eventuell auch rechtes Publikum anziehen. Wie geht ihr mit diesem Image um?
Ralf: Das ist mir, ehrlich gesagt, egal. Denn sobald man sich auf dieses Thema einlässt, das für uns noch nie eines war, kann man sich doch nur lächerlich machen. Und: Mit der genannten Band wird derzeit doch fast jeder in einen Topf geschmissen.
Es hängt wohl auch mit der STÖRKRAFT-Vergangenheit eures Ex-Kollegen Volker zusammen, oder?
Thomas: Mag sein. Aber jeder, der uns kennt, weiß doch, dass diese Diskussion Blödsinn ist, dass wir uns immer distanziert haben. Und ich wüsste nicht, dass rechte Idioten jemals eines unserer Konzerte besucht hätten.
Melly: Es ist schon schade, mit solchen Typen verglichen zu werden. Denn das, was „Oire Szene“ da schreibt, liest ja irgendwie jeder. Das lese ich ja auch. Aber da werden eben auch Bands wie die KASSIERER erwähnt. Und das sagt ja schon alles ...
Thomas: Oder nimm die STAGE BOTTLES: Die versuchen ja schon seit Jahrzehnten, den Leute einzubläuen, dass sie mit rechts nichts zu tun haben, und werden trotzdem immer wieder verdächtigt. Aber ich will nicht nur meckern und sage deshalb: Es ist auch wichtig, dass es wachsame Augen gibt. Was da allerdings alles in dem Topf „Grauzone“ landet, stößt bei mir in mancher Hinsicht auf Unverständnis.
Melly: Ich denke, wer uns so etwas wirklich vorwirft, der sollte sich unseren Song „PC Polizisten“ anhören. Das dürfte dann genügen.
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