30 Jahre später: TEN BRIGHT SPIKES

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Blueland (CD, New Red Archives, 1993)

Wenn man viel Musik hört, dann muss es doch zwangsläufig solche Alben geben, die man zwischendurch einfach nicht mehr auf dem Schirm hat. Und dann findet man sie aus irgendeinem Grund wieder – für mich übrigens ein Grund, die Plattensammlung nicht zu gut zu sortieren – oder wird an sie erinnert, legt sie wieder auf und freut sich einfach, diesen alten Bekannten wieder zu treffen. So läuft es für mich immer wieder mit den Alben der TEN BRIGHT SPIKES, und es war der Ox-Podcast neulich, in dem Joachim sich mit deren Sänger und Ox-Schreiber Jason Honea über seine Bands und seinen Werdegang, der ihn nach Berlin führte, unterhielt. Stimmt, toll, dachte ich, gleich mal „Blueland“ in der passend blau-transparenten CD-Hülle aus dem Regal holen. Auf die TEN BRIGHT SPIKES hatte mich ein alter Freund gebracht, der mir Mitte der Neunziger den New Red Archives-Sampler „Hardcore Breakout USA Vol. 2“ überließ, weil dieser mit 28 Songs zwar viel enthielt, nur eben wenig astreinen Hardcore. „Breakout“ bezog sich mehr auf den Zugang der Bands, Hardcore breiter und weiter zu denken: Gitarrenmusik, aber kein Geholze und Gebolze. Was hier bei der Band um Honea und NRA-Labelgründer Nicky Garratt (der zeitweilig auch bei den UK SUBS spielte) bereits anklang, wurde auf „Blueland“ (wo sie ausnahmsweise als THE 10EN BRIGHT SPIKES firmieren) noch weiter getrieben. Ruhig, ausladender, weitgehend unschrammelig und noch bunter instrumentiert, dient Hardcore hier mehr als Leinwand, auf der mit folkigen, jazzigen und poppigen Anteilen ein impressionistisches Gemälde entsteht. Der Opener „Pavian“ beginnt noch mit einem deklamierenden Riff, das dann aber gleich von einer Geigenmelodie entschärft wird, um dann mit exaltiertem Background- und Honeas prägnantem Sprechgesang in gleich mehrere Richtungen abzubiegen, ohne dass der Song auseinanderfällt. Im Gegenteil: Die vielen Stile, die hier anklingen, fügen sich stimmig zusammen. Das gilt auch für die weiteren Stücke des Albums, dessen Qualität sich nicht aus Hits oder Ausloten eines Stils ergibt, sondern aus dem stimmigen Zusammenführen vieler Einflüsse. Das Album will als Album gehört werden. Da wird es auch mal ganz ruhig und mäandernd („Villagers celebrating passing their exams“), extrem poppig-eingängig („Blue crayon“) oder doch noch aufbrausend („Mineola“). Im dreimal gespielten, kammermusikalischen „Lover’s theme“ fügen sich Flöte und Streicher zum Piano-Thema hinzu und im abschließenden „Summer’s end“ wird der Opener noch einmal in der Abendsonne gespiegelt. So vereinen sich Offenheit und Prägnanz auf „Blueland“, diesem immer wieder gern gehörten „Hardcore Breakout“-Juwel.