30 Jahre später: NOFX

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Punk In Drublic (LP/CD, Epitaph, 1994)

Den Tag, an dem diese CD meinen Zeitstrahl kreuzte, kann ich genau datieren. Mein Bruder feierte im Spätsommer 1994 seine Volljährigkeit und jemand hatte das am 19. Juli erschienene Album in voller Länge auf der Party-Playlist platziert. Das sorgte für einen der besonderen „Was war das?!“-Momente beim Entdecken neuer Musik, den man vielleicht nur zwei, drei Mal im Leben hat. Eine bis dahin nicht gehörte Bissigkeit der Gitarre schon beim Intro-Riff von „Linoleum“, dazu die unglaubliche Geschwindigkeit. Drummer Erik Sandin hatte seine schwere Drogensucht, die die Aufnahme-Sessions zum Vorgänger „White Trash Two Heebs And A Bean“ noch stark belastete, überwunden (bis heute) und Gitarrist El Hefe war bei seinem zweiten Longplayer mit NOFX im Punkrock angekommen. Die neu gewonnene Energie scheint sich in Frische und Präzision entladen zu haben. Dazu gesellt sich der mit vielen Harmonien angereicherte Gesang von Fat Mike, dessen Nähe zu BAD RELIGION nicht von ungefähr kommt: Brett Gurewitz und Greg Graffin selbst hatten bei früheren Aufnahmen mitgewirkt und geholfen, die Qualität der Gesangslinien auf ein neues Niveau zu bringen. Songs wie „Leave it alone“ und „Dig“ gehen fließend ineinander über, andere wie „The quass“ und „Dying degree“ bauen aufeinander auf. Die Scheibe wirkt wie aus einem Guss, bei dennoch großer stilistischer Bandbreite. So könnten Lieder wie das karibisch angehauchte „My heart is yearning“ und „Perfect government“ inhaltlich wie musikalisch unterschiedlicher kaum sein und schmiegen sich trotzdem aneinander. Das refrainlose „Linoleum“ und die Single-Auskopplung „Don’t call me white“ sind heute noch die meist gestreamten Songs von NOFX. Daneben findet sich aber auch das düster-melancholische und dennoch explosive „Lori Meyers“, mit der 2019 verstorbenen Kim Shattuck (THE MUFFS) als Gastsängerin. Ein Novum im Genre war der von ihrem neuen Produzenten Ryan Greene geprägte HiFi-Sound. Greene hatte davor eher mit Rockgrößen wie MEGADETH oder Alice Cooper zu tun und ging am Ende der nur zwei Wochen dauernden Recording-Sessions davon aus, dass die Aufnahme sein Karriereende einläuten würde. Stattdessen bescherte sie der Band und ihm den RIAA Gold-Status und machte ihn zu einem der gefragtesten Produzenten im Punkrock-Kosmos der 1990er und 2000er Jahre. Die in der Dankesliste des Booklets aufgezählten Bands wie PENNYWISE, LAGWAGON, PROPAGANDHI, OFFSPRING lesen sich heute eher wie eine Prophezeiung dessen, was im just eingeläuteten US-Skatepunk-Sturm einen fortwährenden Abdruck hinterlassen würde. Viele Ereignisstränge liefen bei diesem Album zusammen, um Teil einer Punkrock-Supernova zu werden, an deren Effekten man sich auch dreißig Jahre später noch erfreuen kann!