30 Jahre später: BIOHAZARD

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State Of The World Address (CD, Warner, 1994)

31 Jahre sind seit meiner ersten Begegnung mit BIOHAZARD vergangen. Seinerzeit vom großartigen Dynamo-Open-Air im niederländischen Eindhoven begeistert, als die in ihren Anfangstage in der europäischen Hardcore-Szene nicht unumstrittenen New Yorker die Bühne enterten und bei Bruthitze mit entfesselter Energie alles in Schutt und Asche legten. Vor der Bühne sprangen Tausende auf und ab, auf der Bühne versammelten sich zig Begleiter und Mitglieder anderer Bands und tobten über das Parkett, während sich das Quartett souverän durch seinen groovende Hardcore holzte. Ein Jahr später veröffentlichten Evan Seinfeld (bs, voc), Billy Graziadei (gt, voc), Bobby Hambel (gt) und Danny Schuler (dr) ihr drittes Album „State Of The World Address“ und die Meute witterte Verrat, da es beim Major Warner erschien. Mit einsetzender Altersmilde betrachtet war es aber ein nachvollziehbarer Entschluss, um die Band voranzubringen. Die musikalischen Zutaten – NYHC, metallische Gitarren und der neben massiven Gangshouts eingesetzte Rap-Gesang – stimmten, und litten die ersten beiden Alben der Band noch unter einem etwas schmalbrüstigen Sound, gibt es hier das volle Pfund auf die Ohren. BIOHAZARD waren sicher von anderen New Yorker Kapellen wie AGNOSTIC FRONT beeinflusst, aber eben doch im Detail anders, ausgefeilter und melodischer im Gesang, und mit vielen Gitarrensoli, die gewöhnlich nach der reinen Hardcore-Lehre ja verdammt sind. Dabei ist Bobby Hambel gerade live ein Derwisch, der sich rasend im Kreis dreht, mit Gitarre crowdsurft und dennoch nie den Beat verliert. Die Beschreibung der Musik hört sich jetzt vielleicht kommerzieller an, als sie wirklich ist, da „State Of The World Address“ zweifelsfrei eine rohe Scheibe ist, die vor Mitgrölnummern nur so strotzt. Auch dreißig Jahre später sind Songs wie der Titeltrack, „Five blocks to the subway“, „What makes us tick“ oder „Tales from the hard side“ sofort wieder im Ohr und nichts weniger als Klassiker. BIOHAZARD sind nie besonders schnell, sondern moshen sich lieber im Midtempo durch die Songs, die vom meist zweistimmigen Wechselgesang vorangetrieben werden. Die Gesangslinien sind perfekt aufeinander abgestimmt und wer bei den Shouts nicht dabei ist, weiß nicht, was Hardcore ist. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang das Kieler Konzert zur Tour im Spätsommer 1994, bei dem es BIOHAZARD schafften, das mit knapp über tausend Zuschauern vollbesetzte Max auf allen Ebenen in eine hüpfenden Hexenkessel zu verwandeln. Nicht nur kurz, sondern über die gesamte Dauer des Konzerts, was es in den drei Jahrzehnten danach nicht wieder gegeben hat.