Ich gebe zu, dass ich doch geschockt war, als Sänger Dicken 2020 seinen Ausstieg bei SLIME bekannt gab. Ich habe sie 1982 als 14-jähriger Kid-Punk zum ersten Mal gehört und seitdem hat die Band mich durch all die Jahre begleitet. Und natürlich verband ich SLIME auch mit der Stimme und der Bühnenpräsenz von Dicken, zuletzt bei ihrem Gig auf der „Durch alle Höllen und Tiefen“-Tour im Februar 2020 in Köln, damit auch eines meiner letzten Konzerte vor Corona. Als dann Ende 2021 klar wurde, dass SLIME mit einem neuen Sänger weitermachen würden, war ich doch sehr skeptisch, ob das funktionieren würde. Als der erste neue Song „Komm schon klar“ als Video erschien, war ich zwar nicht direkt überzeugt, ich dachte eher, okay lass sie machen und wir gehen getrennte Wege. Doch als nach und nach neue Songs mit Sänger Tex Brasket veröffentlicht wurden, machte es richtig klick bei mir. Jetzt erscheint mit „Zwei“ ein neues Album. Natürlich ist der Titel auf die erste SLIME-LP gemünzt. Eines wird mir beim ersten Hören sofort klar: Die 16 neuen Tracks wirken vom Songwriting her frischer, wenn nicht sogar gelöster als noch bei der letzten Platte „Wem gehört die Angst“ mit Dicken. Das neue Album strotzt nur so vor trotzigem „Jetzt erst recht“ und „Ihr könnt uns alle mal, wenn es euch nicht passt“, so wie in dem Song „Nix von Punkrock“. Die Lyrics stammen dieses Mal alle von Tex, auch ein Novum in der Bandgeschichte, da sonst die meisten Texte von Elf geschrieben wurden. So wirken die Stücke auf mich manchmal so, wie von einem Liedermacher geschrieben – und damit sind SLIME auch wieder bei einem ihrer eigenen Vorbilder, TON STEINE SCHERBEN, angekommen. Die Songs sind sehr persönlich, lauter kleine ehrliche Geschichten, zuweilen bitter und traurig wie zum Beispiel bei „Mein bester Freund“ – oder auch größter Feind – namens Amphetamin oder auch bei „Lieben müssen“, in dem ich mich wiederfinden kann. Tex zitiert auch mal Zeilen von „Brüllen, zertrümmern und weg“ und mit „Mea culpa“ gibt es praktisch eine Weiterführung von „Religion“. Mit „Ebbe und Flut Zwei“ als Abschlusstrack gibt es eine Fortsetzung des letzten Songs auf der letzten Platte.„Heut nicht“ oder „Nix vom Punkrock“ sind einfach großartige Punk-Songs, wie wir sie von SLIME gewohnt sind. Unterm Strich kann ich einfach nur sagen, dass es einige SLIME-Alben gibt, die mich gut abgeholt haben. Das waren damals die erste LP, dann „Alle gegen Alle“ oder auch „Schweineherbst“ in den Neunziger Jahren. Mit „Zwei“ schaffen SLIME das nun ein weiteres Mal – und das trotz meiner „8 Loch Docs“ und der „Scheiß Nieten“ und auch ganz ohne eine „Zeitmaschine“, wie Tex in „Nix von Punkrock“ singt. Damit ist SLIME etwas gelungen, das nur wenigen Bands glückt – sich nach all den Jahren neu zu erfinden, ohne sich selbst zu kopieren. Ich bin beeindruckt und gespannt, was sie demnächst live abliefern werden.
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