Mit SLIME war es in den vergangenen Jahren ja so eine Sache: Sie waren nach langer Zeit wieder da, gaben Konzerte, brachten ein Album heraus: „Sich fügen heißt lügen“ wartete 2012 mit zwar guten, aber ausnahmslos beim anarchistischen Dichter Erich Mühsam entlehnten Texten auf.
Aber sicher sein konnte man sich nie, ob sie – als Institution in Sachen politischer Musik aus Deutschland – wirklich jemals wieder in die Spur finden würden. Und die Konzerte mutierten trotz der nach wie vor vorhandenen Live-Energie dieser Band mehr und mehr zu Best-Of-Shows.
Aber SLIME als Best-Of-Band? Sagen wir es so: Es gibt Dinge, die man lieber sehen möchte. Doch plötzlich erklingen dann die ersten Takte von „Unsere Lieder“, diesem Single-Opener auf „Hier und jetzt“, in dessen Zeilen SLIME die Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit schlagen und sich als Band zu verorten versuchen.
Und schon rutscht man gemeinsam mit Dirk „Dicken“ Jora, Christian Mevs, Michael „Elf“ Mayer, Nici und Alex Schwers direkt hinein in das zweite Leben dieser Band. Denn genau das ist „Hier und jetzt“: Es ist der zweite Frühling, den man SLIME nicht mehr zugetraut hatte.
Und er bricht an, weil draußen Winter herrscht – gesellschaftlich. Dem Land, der Welt geht es schlecht. Die Menschen sind mal wieder soweit, dass sie sich gegeneinander ausspielen, gegenseitig abschlachten, gegenseitig ignorieren, sich gegenseitig eines überhaupt nicht mehr zeigen: Empathie.
SLIME mussten wieder ran, weil das sonst keiner macht. Sie schleudern ihren Hass den Brandstiftern entgegen, die vor den Flüchtlingslagern stehen – genauso wie einst ihre erbärmlichen Vorgänger vor Asylbewerberheimen in Mölln und Solingen und Rostock standen.
Sie rotzen auf die, die an Grenzen wieder schießen wollen. Sie stampfen die US-Militärs, die in Guantánamo Häftlinge misshandeln, auf das geistige Niveau von Ernie und Bert zusammen. Und sie tun all das in derart großartigen Songs, dass man sich wirklich an „Schweineherbst“-Zeiten erinnert fühlt.
An Zeiten also, in denen diese Band – so nahm man bislang ja stets an – letztmalig aufdrehte und auf dem Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens agierte. Natürlich muss man nicht übertreiben: Die Platte von 1994 bleibt auch nach „Hier und jetzt“ unerreicht.
Aber: Mit „Hier und jetzt“ knüpfen SLIME an eine Zeit an, in der sie für dieses Land und die aus ihm kommende Musik unentbehrlich und wichtig und so viel relevanter waren als im alten „Bullenschweine“-Kostüm.
Der verkorkste Zeitgeist verlangte nun wieder nach einer Band wie SLIME. Und da es keinen sonst gibt, der sich bemüßigt fühlt, so souverän und konsequent um sich zu schlagen gegen Idiotie und Stumpfsinn, mussten sie es eben selber machen.
Hier und jetzt mit „Hier und jetzt“. Es geht nichts über das Original.
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