„Forgive me my father, for I am a sinner“, singt DEFEATER-Frontmann Derek Archambault schon beim Opener „Contribution“ (und auch in „Remorse“), und würde man es nicht besser wissen, man könnte „Abandoned“ für ein weiteres Beispiel von christlicher Bekenntnis-Musik halten, einem besonders widerwärtigen Phänomen der US-Hardcore-Szene.
Doch wer das tut, zeigt nur, dass er DEFEATER nicht kennt, sich nie mit der Band beschäftigt hat, schließlich hat Derek in Laufe der Alben – das Debüt „Travels“ kam 2008 auf Topshelf, „Empty Days & Sleepless Nights“ 2011 auf Bridge 9, „Letters Home“ 2013 auch dort – mit beinahe schon literarischem Eifer ein ambitioniertes inhaltliches Konzept umgesetzt.
Keine Texte über die üblichen Hardcore-Themen, sondern nicht mehr und nicht weniger als eine Familiensaga nahm er sich vor zu erzählen, die Geschichte einer Arbeiterfamilie aus New Jersey in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg – eine mit Dramen und großen Gefühlen, vielen Zweifeln und Verirrungen, womit man dann eben doch wieder bei den Themen klassischer, reflektierender Hardcore-Texte ist.
„Diesmal geht es um die Geschichte des Priesters aus dem ,Travels‘-Album“, sagt Derek dazu. „Es geht also nicht um einen Familienangehörigen, aber doch um eine Person, die der Familie sehr nahe steht und eine wichtige Rolle spielt.
[...] Viele Leute dachten, auf der neuen Platte würde es um die Mutter gehen, weil das die einzige Person ist, die bislang nicht berücksichtigt wurde, aber es gibt eben noch ein paar andere Charaktere, die sich in meinem Hirn tummeln.
Der Priester kam schon mal auf ,Empty Days & Sleepless Nights‘ vor, wo die Mutter, wenn sie mal wieder dicht ist, in die Kirche geht. [...] Das neue Album liefert also einige Hinweise, um die ganze Geschichte entschlüsseln zu können, es liefert Verbindungen und Erklärungen.
[...] Einer der Handlungsstränge dieses Albums beschäftigt sich damit, dass Menschen immer an den dunkelsten Stellen ihrer Seele nach Antworten auf ihre Probleme suchen.“ Begleitet wurde die Entstehung des Albums von einer für Derek enorm wichtigen Hüftoperation, bezahlt mit Spenden der DEFEATER-Fans, die ihn endlich von brutalen Schmerzen erlöste – wer will, kann da nach Parallelen zwischen Texten und realem Leben suchen.
Musikalisch sind DEFEATER, die mit diesem, ihrem vierten Album zu Epitaph wechselten, ihrer Grundlinie treu geblieben: enorm druckvoller Hardcore, der von massiven, sehr eindringlichen Passagen einerseits und Dereks verzweifelten „Ich schrei mir die Seele aus dem Leib“-Vocals geprägt wird.
Andererseits finden sich auf „Abandoned“ auch drei ungewohnt atmosphärische, melodiöse („Borrowed & blue“) beziehungsweise leise („Atonement“, „Vice & regret“) Stücke – eine neue Seite, an der DEFEATER von mir aus künftig noch stärker arbeiten dürfen.
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