BLACKOUT PROBLEMS

Foto

Alles auf eine Karte

Mit „Kaos“ veröffentlichen BLACKOUT PROBLEMS nun ihr zweites Studioalbum. Vor zwei Jahren waren die Münchner mit ihrem Debütalbum „Holy“ richtig erfolgreich, begrüßten Nathan Gray von BOYSETSFIRE als Gast im Studio, landeten in den Top 50 der deutschen Albumcharts und hüpften bei der Pro7-Show „Circus HalliGalli“ aus dem Schrank. Und trotzdem machen sie jetzt plötzlich alles anders. Neuer Sound, persönlichere Texte, eigenes Label. Und mit ihrem Freund Moritz Hammrich haben sie sich einen zweiten Gitarristen in die Band geholt. Sänger Mario Radetzky erklärt im Ox-Interview, dass die Band vor allem eines strikt ablehnt: Stillstand.

Mario, das neue Album heißt „Kaos“ mit K. Warum nicht Chaos?


Bei unseren bisherigen Veröffentlichungen hatten wir immer vier Buchstaben im Titel. Diese Regel wollten wir einfach weiterführen. Und wir wollten dem Wort mehr Gewicht verleihen, indem wir die Schreibweise verändern. Damit man noch mehr darauf aufmerksam wird und sich fragt: Was steckt eigentlich dahinter? Was bedeutet Kaos? Eine tiefgründigere Erklärung gibt es nicht. Wir dachten uns eben: das passt einfach dazu.

Beim Debütalbum „Holy“ habt ihr euch viele Gedanken um die Welt und die Veränderungen in der Gesellschaft gemacht. „Kaos“ scheint viel persönlicher zu sein. Stimmt der Eindruck?

Der Eindruck ist völlig richtig. Auf dem letzten Album waren zwölf Songs, von denen zehn gesellschaftskritisch und zwei eher persönlich waren. Diesmal ist es genau umgekehrt. Jetzt haben wir zehn sehr persönliche und zwei gesellschaftskritische Songs. Das Album hat natürlich auch seine politischen Momente, die sind nur viel besser versteckt. Den Song „Sorrow“ zum Beispiel haben wir im August geschrieben, als der Wahlkampf tobte und die Slogans der AfD omnipräsent waren. Das konnte einen in Deutschland einfach nicht kalt lassen. Aber der Fokus des gesamten Albums ist ganz klar persönlicher. Der Blick, der bei „Holy“ nach außen ging, hat sich nach innen gewendet. Das war aber keine bewusste Entscheidung, das kam von ganz alleine. In den vergangenen zwei Jahren haben sich einfach viele Dinge bei uns ereignet. Das einzige Credo unserer Musik ist, dass sie authentisch ist. Deshalb müssen wir einfach Songs über die Dinge schreiben, mit denen wir uns auseinandersetzen.

Was ist da passiert, was hat euch so bewegt? Gab es persönliche Schicksalsschläge oder Probleme in der Band?

Trennung ist bei dem Album ein ganz großes Wort. Innerhalb der Band hatten wir dieses Jahr ganz schwierige Momente. Wir waren kurz davor, das Handtuch zu werfen. Dann haben wir uns doch wieder zusammengerauft. Und zwischen diesen Dingen, die uns alle betreffen, ist jeder von uns vier durch sein eigenes Tal gegangen. Bei mir war es klar eine Trennung, unter der ich sehr gelitten habe. Ich bin aus meiner Wohnung ausgezogen und habe komplett mein Fundament verloren. Irgendwann bin ich im Proberaum aufgewacht und habe gemerkt, ich sitze vor einem riesigen Scherbenhaufen und habe keine Ahnung, wie ich das wieder in geregelte Bahnen lenken kann. Mit diesem Problem habe ich mich die letzten eineinhalb Jahre auseinandergesetzt und davon auch ganz viel in das Album reingepackt. Dadurch erhoffe ich mir, mich von den negativen Energien freizumachen und mein inneres Feuer wieder zum Lodern zu bringen.

Hat sich mit diesen Emotionen auch der Sound von BLACKOUT PROBLEMS verändert? „Holy“ war ja eine echte Rock-Platte, bis hin zu Post-Hardcore-Anteilen. „Kaos“ hat sehr viel progressivere Elemente, die mehr an Bands wie BIFFY CLYRO oder MUTEMATH erinnern.

Das sehe ich als völlig natürliche Entwicklung. Zwischen den beiden Alben liegen ja auch zwei Jahre. In der Zwischenzeit haben wir viel herumexperimentiert und ausprobiert. Wir hatten diesen gemeinsamen Song mit dem Elektronik-Künstler Christian Löffler, der uns neue Möglichkeiten aufgezeigt hat. Wir haben uns dann von jeglichen Erwartungen frei gemacht und uns sehr lange im Proberaum verschanzt und niemanden daran teilhaben lassen. Wir hatten auch gar keinen Produzenten dabei, sondern haben alle Songs komplett alleine geschrieben. Es gab dann irgendwann keine Grenzen mehr. Wir haben einfach alles geschrieben, was uns in den Sinn kam und womit wir uns wohl gefühlt haben. Und am Schluss haben wir das gesamte Potpourri zusammengerührt und geschaut, ob es einen roten Faden gibt. Da haben wir festgestellt, dass es immer wieder bestimmte Element gibt, auf die wir unser Songwriting aufgebaut haben. Wir haben zum Beispiel viel beatbasierter gearbeitet. Wir haben mit Michi einen wahnsinnig kreativen Schlagzeuger, der noch viel mehr als auf „Holy“ zu bieten hat. Und das konnten wir aus ihm herauskitzeln. Wir haben aber auch den Songwriting-Prozess selbst verändert. Es gab keine langen Jams mehr, sondern mehr Vorproduktionen und wir haben dann einfach am Rechner herumgespielt. Wir haben uns diesmal komplett auf die Gitarren verlassen. Auf der ganzen Platte ist nur ein einziger kurzer Synthiesound, der aber auch nur ganz im Hintergrund zu hören ist. Wir haben uns einfach ein paar neue Effektgeräte zugelegt und mit denen herumexperimentiert. So sind dann auch die Vocal-Effekte entstanden, die man hören kann. Wir haben uns also ziemlich frei gefühlt.

Ich finde das ziemlich mutig von euch, als junge Band den eingeschlagenen Pfad nach dem Erfolg mit dem Debütalbum einfach zu verlassen.

Wir setzen gerade alles auf eine Karte. Es könnte auch passieren, dass unsere Fans das neue Album total scheiße finden. Damit müssen wir dann leben. Aber was sollen wir anderes machen? Wir sind ja alle Musiker, die sich selbst ausdrücken wollen. Wir haben uns immer gegenseitig gesagt: wir bleiben uns selbst treu und lassen natürliche Veränderung zu. Wenn wir jetzt versucht hätten, ein zweites „Holy“ aufzunehmen, dann wären wir nicht hundertprozentig authentisch. Und dass rechne ich uns auch hoch an, dass wir da ohne Bedenken herangegangen sind. So können wir immer in den Spiegel schauen, selbst wenn Leute kommen und unsere neuen Songs nicht mögen. Ich glaube auch, dass die Reise für unsere Band noch weitergehen wird, dass da vielleicht noch ganz andere Sachen entstehen werden. Da sind unsere Vorbilder ganz klar Bands wie BEATSTEAKS, bei denen kein Album gleich klingt. Von „Living Target“ zu „Smack Smash“ zum Beispiel ist es ein Riesensprung. Es kommen immer wieder ganz neue Momente dazu. Ähnlich haben wir uns für „Kaos“ auch völlig frei von Erwartungen gemacht und das fühlt sich richtig gut an.

Reicht denn die Band aktuell, um alle Rechnungen zu bezahlen?

Nein. Gerade beziehe ich mein Bett neu, weil ich mein Zimmer vermiete für die Zeit, in der wir auf Tour sind. Ich muss es für einen ganzen Monat vermieten, weil ich sonst nicht über die Runden komme. Das ist zwar für unser jetziges Leben völlig akzeptabel, aber natürlich wird das in zehn Jahren nicht mehr so funktionieren. Davon kann man keine Familie ernähren, zumindest im Moment. Aber so sehen die ersten Seiten in der Biografie jeder Band aus. Da ist der Kühlschrank immer leer. Aber wenn wir weiter dranbleiben, haben wir die Hoffnung, dass es irgendwann aufgeht. Und wir sind nicht bereit, uns fürs Geld zu verbiegen oder irgendwelche Kompromisse einzugehen. Ich bin froh, dass wir uns da gegenseitig den Rücken stärken und sagen: Hey, wenn es in einem Jahr vorbei ist, dann ist das so.

„Kaos“ ist das erste Album, das ihr bei eurem eigenen Label Munich Warehouse veröffentlicht. Eigentlich war das doch eine Merchandise-Firma, oder?

Wir haben im November 2014 angefangen, selbst T-Shirts zu bedrucken. Die haben wir damals unter dem Label Munich Warehouse herausgebracht. Das war ursprünglich ein kleines Experiment von Michi und mir. Jeder hat anfangs fünfzig Shirt produziert und verkauft. Und das lief irgendwann immer besser, dann haben wir das Unternehmen zu einem Merchandise-Vertrieb ausgeweitet. Irgendwann haben wir dann auch andere Bands mit ins Boot geholt und inzwischen läuft der komplette Merchandise von BLACKOUT PROBLEMS über Munich Warehouse. Dann haben wir dann auch angefangen, Vorverkaufstickets auf diesem Weg abzusetzen und irgendwann war es zum Label nicht mehr weit. Das macht uns jetzt einfach noch unabhängiger und wir können noch mehr nach dem DIY-Prinzip arbeiten. So ist aus Munich Warehouse ein Label geworden, auf dem jetzt unser neues Album herauskommt.