BLACKOUT PROBLEMS

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Enter the dark

Über zwei Jahre sind seit dem Release von „Kaos“, dem letzten Album von BLACKOUT PROBLEMS, vergangen. Eine Zeit, in der global extrem viel passiert ist und die auch an den vier Münchenern nicht spurlos vorbeiging. Ihre musikalische Essenz dessen trägt den Titel „Dark“ und ist das bis dato düsterste und gleichzeitig facettenreichste Werk der Band. Gitarrist Moritz Hammrich taucht mit uns in die Welt des neuen Albums ein.

Euer Sänger Mario meinte in einem anderen Interview, dass ihr euch bei der Entstehung von „Dark“ weniger auf einen Sound festgelegt habt, sondern alles vielmehr von einer Stimmung ausging. Kannst du diese genauer beschreiben?

Wir waren im letzten Jahr sehr, sehr oft zusammen und haben jede Krise und jeden schlechten Vibe, der über die Erde fegte, gemeinsamen aufgenommen und uns damit auseinandergesetzt. Wir haben die Ereignisse miteinander besprochen, ausgelotet und analysiert – auch die globale Situation, ob es die Trump-Politik ist, die Klimapolitik oder die AfD. Das gemeinsame Gefühl, das wir dabei teilen, haben wir versucht, in Songs zu überführen. Wir haben nicht gesagt, dass wir so oder so klingen möchten, sondern wollten über das ganze Album eine Stimmung und ein Sound-Bild kreieren, das natürlich aus uns herauskommt.

Dass ihr euch noch stärker als vorher mit globalen Themen beschäftigt habt, hört man, wie ich finde, sehr deutlich. Auch zuvor war Politik bei euch ja immer ein Thema, aber nun findet ihr noch einmal klarere Worte, gerade in Songs wie „Germany, Germany“ und „Murderer“.
Ja, voll. Es ist aber nicht so, dass wir nur eine globale Sicht auf dem Album haben. Letztendlich ist es unsere Sicht auf die Welt, die um uns herum existiert. Natürlich werden auch Gefühle beschrieben, die im Inneren passieren und aus den globalen Dingen heraus entstanden sind. „Germany, Germany“ ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie wir die Dinge zusammen durchlebt haben. Wir haben den Song aufgenommen und sind danach zur „Black Lives Matter“-Demo nach München auf den Königsplatz gegangen. Dort war eine extreme Unity-Stimmung. Es waren so viele Leute da und der Vibe war so krass. Danach sind wir zusammen zurück in den Proberaum, haben uns die Vocals vom Song noch mal angehört und Mario meinte: „Ich fühle gerade, dass ich das auf jeden Fall noch besser kann.“ Dann ist er in die Kabine und hat diesen Refrain gebrüllt und wir saßen in der Regie und spürten, dass das genau die Stimmung vom Königsplatz vor einer halben Stunde einfängt. Diesen Drang nach Veränderung und Gerechtigkeit, der da in der Luft lag.

„Dark“ klingt noch einmal vielseitiger als „Kaos“. Welche Faktoren haben den Sound von „Dark“ maßgeblich geprägt?
Da spielen verschiedene Sachen eine Rolle. Alle vier von uns sind in den letzten Jahren große Fans davon geworden, Musik zu produzieren, und wurden darin auch immer fitter. Dadurch haben wir auch mehr Möglichkeiten und Inspiration gewonnen, was man in Bezug auf Sound alles machen kann. Diese Neugier, Dinge auszuprobieren und etwas Neues zu kreieren, lässt bei uns nicht nach und spornt uns an. Nach der „Kaos“-Tour 2018 haben wir angefangen, Songs zu schreiben, dabei kam beispielsweise auch „Sorry“ raus, mit dem Song sind wir auch immer noch zufrieden. Wir haben immer weiter geschrieben und saßen irgendwann gemeinsam in einer Hütte in Österreich und haben uns Demos angehört. Dabei haben wir gemerkt, dass wir auf dem dunklen, melancholischen Terrain gemeinsam am besten funktionieren. In Bezug auf dieses Düstere kam auch irgendwann das erste Mal das Wort „Dark“ zur Sprache.

Ihr seid eine Band, die immer extrem viele Konzerte gespielt hat und bei der das Touren laut eurer Aussage auch immer ein prägender Faktor für das Songwriting war. Hat es Einfluss auf euer musikalisches Schaffen, dass Touren gerade nicht möglich ist? Wenn ja, ist dieser Einfluss eher negativ oder positiv?
Es hatte bei „Dark“ einen sehr großen Einfluss auf uns – und zwar positiv. Wir haben immer Songs geschrieben, ob auf der Rückbank im Bus oder im Proberaum. Dabei wurden wir jedoch immer aus dem Songwriting-Prozess herausgerissen, weil wir auf Tour gefahren sind. Wir waren noch nie so lange am Stück zu Hause und konnten uns nie so lange und intensiv Songs widmen. Deswegen hat die Corona-Sache einen positiven Einfluss auf das Songwriting für das Album gehabt. Wir hatten jetzt mehr Zeit, es war intensiver – und wir konnten unsere Batterien aufladen. Wir haben in den letzten drei bis vier Jahren vielleicht 270 bis 300 Shows gespielt. Es waren so viele Wochenenden, an denen wir nicht zu Hause waren. Anfangs hat es deshalb sehr gutgetan, nicht zu spielen. Irgendwann kommt dann aber der Punkt, wo die Kurve „Geil, nicht spielen“ wieder runtergeht und man sagt „Fuck, ich will spielen“. An diesem Punkt sind wir nun seit ein paar Monaten. Es fehlt uns, uns auf der Bühne auszudrücken. Wenn es soweit ist, dass wir das wieder tun können, werde ich es so viel mehr schätzen. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so viel spielen kann. In dem Moment, wenn wir in England im kleinsten Backstage der Welt sind und ich schlechte Laune habe, weil ich im kleinsten Backstage der Welt bin, nimmt man dieses Privileg zu selten wahr. Ich versuche mir dann vor Augen zu führen, wo ich bin, was ich tue und weswegen ich das tue. Man sollte sich generell öfter aufs Hier und Jetzt besinnen. Man guckt immer nur auf die Vergangenheit – doch gerade im Hier und Jetzt wird Geschichte geschrieben. Ich schweife gerne ab, haha. Aber es ist einfach alles nicht selbstverständlich. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in einem Land leben, in dem kein Krieg herrscht. Nicht selbstverständlich, dass wir Geld haben, das wir für Essen ausgeben. Nicht selbstverständlich, dass ich hier eine Gitarre habe. Dieses nicht Selbstverständliche muss man sich öfter vor Augen führen und Dinge schätzen. Zwischenmenschliche Beziehungen schätzen, Empathie schätzen. Man muss freundlich zueinander sein, anders kann man nicht miteinander leben. Ausgrenzung bringt gar nichts, sondern führt zu Hass und schlechter Laune. Man muss Respekt und Liebe verbreiten und jeden so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. This is the key.