Eine Rap-Band im Ox? Klar! Schließlich zeigen sowohl die ANTILOPEN GANG-Songs als auch ein Gespräch mit den Düsseldorfern, dass Danger Dan, Koljah und Panik Panzer im Herzen Punks sind. Außerdem heißt die neue Platte ja FEHLFARBEN-mäßig „Anarchie und Alltag“ und wurde jetzt beim DIE TOTEN HOSEN-Label JKP veröffentlicht.
Seid ihr, so wie ihr auf „Anarchie und Alltag“ singt, tatsächlich das moralische Gewissen der Medien?
Danger Dan: Wir singen das zwar. Aber ich halte uns, ehrlich gesagt, nicht für prädestiniert, diese Rolle zu übernehmen. Ich würde dafür andere vorschlagen ...
Jetzt sag nicht Jan Böhmermann!
Danger Dan: Nein! Den auf keinen Fall. Eher so einen Pilz, der gar nichts Menschliches an sich hat.
Was kann man genau unter diesem „moralischen Gewissen“ verstehen?
Danger Dan: Ich sag’s mal so: Es ist auffällig, dass wir irgendwie von vielen Menschen als Quoten-Polit-Dudes angesehen und deswegen überall eingeladen werden.
Na ja, ihr seid jung, macht coole Musik und singt über Politik. Das macht euch interessant. Vielleicht sogar fürs Frühstücksfernsehen. Seid ihr da schon gewesen?
Panik Panzer: Nein. Aber immerhin in der Online-Ausgabe der „Tagesschau“! Wir waren teilweise schon ganz gut überrascht, wo wir überall präsentiert werden. Denn wir hatten eigentlich das Gefühl, dass wir auf unserem letzten Album „Aversion“ wesentlich radikaler waren als in den Jahren davor. Da haben wir Ansagen rausgehauen, von denen wir dachten, die würden eher dazu führen, dass wir nicht so öffentlich stattfinden. Aber wir wurden überall mit Kusshand genommen.
Vielleicht brauchen die Menschen heutzutage, in immer radikaleren Zeiten, auch radikale Ansagen.
Danger Dan: Ja. Es scheint schon einen Bedarf dafür zu geben. Und ich finde auch, man könnte gerade in der heutigen Zeit ruhig noch radikaler werden. Aber das Interessante ist ja, dass diejenigen, die uns einladen, im nächsten Moment auch Leute einladen würden, die genau das Gegenteil erzählen. Man wird also zum Quotenkritiker und wird gegeneinander ausgespielt. Wir fühlen uns quasi als Feigenblatt der Medien, das den Sündenfall kaschieren soll. Und so ist auch diese Sache mit dem „moralischen Gewissen“ zu verstehen.
Gut, dann noch mal zurück zum Begriff „radikal“: In eurem Song „Tindermatch“ macht ihr euch auf sehr schöne Weise lustig über die Protagonisten Denis und Lutz. Liege ich richtig, wenn ich sage: Damit meint ihr PEGIDA-Kopf Lutz Bachmann und Denis Cuspert, den Berliner Rapper Deso Dogg, der Salafist wurde und sich zum Islamischen Staat bekennt – zwei radikale Menschen eben?
Danger Dan: Hm ... Es gibt da Parallelen, die auch mir aufgefallen sind, zu denen ich aber jetzt nichts sagen möchte, weil ich ein juristisches Nachspiel fürchte. Bleiben wir also erst mal bei Denis und Lutz. Aber: Ich könnte mich hier und da mal auffällig räuspern ...
Auch das ist eindeutig. Worauf ich hinaus will: Solche Songs, die auch aus dem Punk stammen könnten, stehen für die neben dem Gangsta-Rap mittlerweile gefühlte zweite große Seite des deutschsprachigen HipHop – die linkspolitische nämlich, die durch Bands wie euch immer populärer wird, oder?
Danger Dan: Ich weiß nicht ... Es gibt viele Seiten in diesem Genre. HipHop ist nicht nur bipolar. Er findet überall statt. Es gibt Neonazi-Rapper. Es gibt Antifaschisten. Es gibt, wenn du so willst, Pendants zur FDP und anderen Volksparteien. Da ist alles dabei. Und das war von Anfang an so. Es begann ja nicht erst mit Spaß-Rappern wie den FANTASTISCHEN VIER, sondern schon damals existierten Bands wie ADVANCED CHEMISTRY, die eindeutig linkspolitisch orientiert waren, die mehr als andere reflektieren und auf ihre Aussagen achteten. Und die gibt es eben bis heute. Genauso wie Asi-Rap.
In „Das Trojanische Pferd“ singt ihr davon, eure Bandfahne auf dem Bundestag zu hissen und die Politik hierzulande zu übernehmen. Wie sähe denn euer Parteiprogramm aus?
Koljah: Es gäbe kein Parteiprogramm. Denn unsere Fahne auf dem Dach – das setzt ja voraus, dass wir den Bundestag übernommen haben. Und das ist dann ein Akt der Revolution, da wäre die Abschaffung aller Parteien inbegriffen. Ich würde in diesem Fall höchstens von einer klassischen Ein-Parteien-Diktatur sprechen. Der Diktatur des ANTILOPEN GANG-Lumpenproletariats
Der Titel eures Albums, „Anarchie und Alltag“, ist offensichtlich an das FEHLFARBEN-Album „Monarchie und Alltag“ angelehnt. Genauso wie das Cover: Das von den FEHLFARBEN zeigt ein altes, heruntergekommenes Haus. Eures ein neu gebautes mit Garten, in dem glückliche Familien leben. Wie kamt ihr darauf?
Koljah: Wir haben lange überlegt. Dann hatte Danger Dan plötzlich diesen Einfall. Und da wir auch hinsichtlich unseres Bandnamens sowie beim Titel unseres ersten Albums „Aversion“ so ein Faible für Wörter mit „A“ an den Tag gelegt hatten, entschieden wir uns für dieses Wortspiel, „Anarchie und Alltag“. Zudem ist die FEHLFARBEN-Platte ein Klassiker, auf den sich alle einigen können. Auch wir. Denn wir alle hören ja auch Punk und wurden unter anderem mit dieser Musik sozialisiert. Da wollten wir uns jetzt mal kackdreist anbiedern, um die Messlatte auch ja nicht zu niedrig zu hängen!
Danger Dan: Und das sehr sanierungsbedürftige Haus auf dem FEHLFARBEN-Cover könnte 2017 schließlich auch genauso aussehen wie das Haus auf unserem Bild.
Wie ein Idyll?
Koljah: Ja. Das Idyll ist ein Motiv, von dem wir nicht lassen können. Das war schon beim Cover von „Aversion“ so.
Auf dem unter anderem eine glückliche Familie inmitten einer Regenbogen- und Wiesenlandschaft zu sehen ist.
Koljah: Genau. Wobei bei uns eben auch immer ein Bruch enthalten ist. Achte mal auf den Schatten, der sich auf dem Rasen vor dem „Anarchie und Alltag“-Haus abzeichnet ...
Es ist der Schatten eines Kampfflugzeuges, das eine Bombe abwirft ...
Koljah: Eben. Wir arbeiten da sehr subtil.
Und ihr entlarvt das Idyll als Pseudo-Paradies. Es droht überall Gefahr. Die Schönheit ist nur Schein.
Danger Dan: Eben. Die 3D-Animation entblößt diese heile Welt, die einem nur vorgegaukelt wird und die Menschen dazu animieren soll, sich auf Jahre hinaus zu verschulden. Diese auf dem Computer erzeugte Ästhetik ist ja sogar so dreist, dass sie von vornherein aufgrund ihrer Künstlichkeit eigentlich nichts anderes aussagt als: Das wird niemals so toll aussehen. Das kann gar nicht echt sein. Und das ist doch grandios! Das sagt viel über diese Welt aus.
Es gibt da diesen wunderschönen Spruch: „Die Welt will betrogen sein“ ...
Danger Dan: Ja. Die Scheinwelt in einem Immobilienprospekt gaukelt es einem als schön vor, sich über Jahrzehnte an die Bank zu binden. Dabei wissen die Leute doch, auf was sie sich einlassen, wenn sie sich eine solche Wohnung zulegen. Genauso wie die Amerikaner, die Trump gewählt haben, nicht erst seit gestern wissen, dass er ein Rassist ist. Ich kann mich selber ja nicht davon ausnehmen: Ich wohne in Berlin in einem Haus, das einem Aktienfonds gehört. Ich zahle also noch nicht einmal einem normalen Vermieter übelst viel Geld, sondern schiebe es Leuten in den Hintern, die die größten Arschlöcher sind.
Womit du deiner eigenen Aussage als Künstler selbst widersprichst.
Danger Dan: So ist es. Aber man wird nun einmal mehr oder weniger dazu gezwungen, sich anzupassen. Man kann nicht mehr so einfach Häuser besetzen. Leider.
Gibt es Momente, in denen ihr an der Welt verzweifelt?
Danger Dan: Ständig.
Und dann helfen euch Satire und Sarkasmus?
Koljah: Ich denke, so eine ironisch-sarkastische Einstellung ist gerade die Folge dieser Verzweiflung. Ich habe oft den Eindruck, es bleibt einem gar nichts anderes mehr übrig, als sich über alles lustig zu machen, weil sonst alles viel zu verrückt wäre.
Als Therapie schlagt ihr vor, mehr Pizza zu essen. Wohl weil das jeder kann und weil das die Menschen zusammenbringt. Welche Pizza empfehlt ihr?
Danger Dan: Also, wenn du mit dem Weltschmerz gar nicht mehr klarkommst, nimm die „Pizza Diabolo“ mit viel Tabasco – und spüre das Leben. Sowohl beim Essen als auch beim Ausscheiden hinterher.
Panik Panzer: Ich bestelle immer die „Pizza Ali Baba“ von meinem Stamm-Italiener, weil die so viel Knoblauch enthält und ich auch noch Stunden danach mit jedem Aufstoßen das Leben spüre.
Koljah: Ich brauche gar nicht so viele Beläge. Am wichtigsten ist mir der Käse. Davon muss ich viel haben. Er muss Fäden ziehen. Dann fühle ich mich wohl!
Was war anders bei der Aufnahme von „Anarchie und Alltag“ im Gegensatz zum Album davor?
Panik Panzer: Die Euphorie setzte später ein als bei „Aversion“. Am Anfang stand erst mal eine lethargische Phase.
War das der Zwang, den man mit einem Label im Rücken hat, das einem sagt: „Leute, ihr müsst jetzt wieder ran und liefern“?
Danger Dan: Ach, nein. Die haben doch gar keine Ahnung von HipHop. Die finden alles gut bei JKP.
Was?! Campino sagt doch immer, er höre viel HipHop!
Danger Dan: Ja, Hip-Hop-Bommi-Bop vielleicht, haha! Im Ernst: Wir haben die Messlatte selber recht hoch gelegt. Das ist zwar schade für die Fans, weil die immer das gleiche Album wollen – das kenne ich ja von mir. Das geht mir genauso mit Bands, die ich mag. Aber es ist eben unser Anspruch, besser zu werden. Zumal wir bei „Anarchie und Alltag“ erstmals die Möglichkeit hatten, uns rein auf das Album zu konzentrieren, ohne nebenbei arbeiten oder studieren zu müssen. Das war eine ganz andere Herangehensweise.
2017 veröffentlichen mit euch, den BROILERS und wohl auch DIE TOTEN HOSEN drei JKP-Bands ihre neue Platte. Gibt es da einen internen Wettbewerb, welches Album am erfolgreichsten wird?
Panik Panzer: Ich glaube, der ist schon lange verloren!
Koljah: Genau! Die Hosen haben schon ordentlich Muffensausen.
Panik Panzer: Die können sich mal warm anziehen, die Rocker!
Campino ist Gast auf eurem Bonusalbum zu „Anarchie und Alltag“, das „Atombombe auf Deutschland“ heißt. Auf dem präsentiert ihr Songs von euch im Punkrock-Gewand, die ihr gemeinsam mit deutschen Punkrock-Größen wie eben Campino, Peter Hein, Bela B oder Dirk Jora von SLIME eingespielt habt. Ein Zeichen, wie sehr ihr als Rapper im Punk verwurzelt seid?
Panik Panzer: Verwurzelt? Wir sind die Baumkrone, die Avantgarde des Punkrock! Wir haben uns eine lange Liste geschrieben mit Namen, die wir gerne dabei hätten – und am Ende haben tatsächlich alle zugesagt.
Danger Dan: Das war schon fast absurd.
Koljah: Vor allem, weil das innerhalb weniger Wochen fertig sein musste – und dann auch fertig wurde.
Danger Dan: Ehrlich: Ich habe noch nie irgendetwas gemacht, was ich so gut finde. Denn ich hätte nie gedacht, dass das klappt. Das war immer fern von jeder Realität.
Sitzt ihr als punkaffine Rapper zwischen den Stühlen zweier Szenen?
Panik Panzer: Nein. Ich würde sagen, das passt einfach beides.
Danger Dan: Aber nicht immer! Es gibt schon so szeneinterne Codes, die für Verwirrung sorgen. Es ist beispielsweise schon mehrfach vorgekommen, dass bei Konzerten vor HipHop-Publikum ein einzelner Punk von der Bühne runtergesprungen ist, um Crowdsurfing zu machen – und dann auf den Boden krachte, weil die Leute unter ihm gar nicht wussten, was er da vorhat. Aber gut: Dass wir sowohl in der Rap- als auch in der Punk-Szene ein gewisses Standing haben, das stimmt. Auffällig dabei: In den sozialen Medien sind unsere Rap-Fans am aktivsten. Live sind das die Punks. Die kommen vermehrt zu unseren Konzerten.
Im Song „RAF-Rentner“ nehmt ihr die aufgelöste extremistische Terrororganisation Rote Armee Fraktion aufs Korn nehmt. Es gibt nicht wenige aus der linken Szene, die diese alte RAF-Zeit noch heute mythisch verklären. Wieso greift ihr dieses Thema auf?
Koljah: Ich denke, diejenigen, die das heute noch verklären, sind vor allem irgendwelche hängengebliebenen Leute von damals. Und über die machen wir uns ebenso lustig, wie die taz, die mal titelte „RAF – Rentner Armee Fraktion“, und die uns damit auf die Idee zu diesem Song brachte, der ja ganz klar eine Abrechnung ist.
Panik Panzer: Ich kann schon nachvollziehen, dass man das, was die RAF damals propagierte, dieses Aufbegehren, dieses Revoluzzertum, schnell verklärt. Aber wenn man sich die RAF-Geschichte einmal im Detail anschaut, dann sieht man natürlich, dass da nicht alles so toll war. Man sieht, dass der ideologische Unterbau eher mit der NPD kompatibel war.
Koljah: Ich sage es mal so: Würde Ulrike Meinhof bei mir vor der Tür stehen und um Asyl bitten, dann würde ich ihr eine Nacht gewähren, nicht die Polizei rufen, ihr eine Stulle schmieren, sie für ihren hängengebliebenen Anti-Imperialismus kritisieren – und ihr dann schnell Adieu sagen.
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