Seit dem letzten Album „Soft Clicks“ (2008) von DEATH IS NOT GLAMOROUS aus Oslo verging einige Zeit, bis es zu einem neuen Lebenszeichen reichte. Nun sind sie nach dem Ende von Blacktop Records, wo „Soft Clicks“ erschienen war, in Norwegen bei Fysisk Format und in Deutschland bei Cobra Records gelandet, und mit „Spring Forward“ könnten sie zu neuen Lieblingen all jener Menschen werden, die ihren Punkrock gerne melancholisch, wütend und pathosgeladen zugleich genießen. Prägnantes Element des DING-Sounds ist weiterhin die Stimme von Christian Medaas, der klingt, als gurgle er jeden Morgen mit rostigen Eisenspänen, und der auch meine Fragen beantwortete.
Das letzte Interview fürs Ox führten wir mit euch 2008. Was hat sich seitdem bei DEATH IS NOT GLAMOROUS getan?
Seit 2008 haben wir einige Touren und viele Shows gespielt und im Sommer 2011 ein neues Album veröffentlicht, „Spring Forward“. Wir waren zwar nicht sehr produktiv, aber die Band ist ja nur ein Hobby, etwas, das wir gerne tun. Trotzdem, wir haben ja noch Jobs, Schule oder Uni und allgemein ein Leben abseits der Band. Einige von uns haben in der Zeit eine Ausbildung angefangen oder abgeschlossen, wurden gefeuert – zu Recht, haha – oder haben geheiratet! Oder haben weitere Bands gegründet: Even und Emanuele spielen bei BOUVET, Even ist außerdem noch bei STRIKE A MATCH und Espen und ich bei PROBLEMS.
Eure aktuelle Platte erschien bei Fysisk Format, das im Moment als eines der angesagtesten skandinavischen Labels gilt. Wie geht es euch mit dem Label und euren Label-Kollegen?
Um genau zu sein, hat Fysisk Format schon 2008 die CD-Version von „Soft Clicks“ herausgebracht. Technisch gesehen, arbeiten wir also schon eine Weile mit dem Label zusammen. Es sind nette Typen, die ein kleines Label betreiben und insgesamt macht die Zusammenarbeit Spaß und ist sehr unkompliziert. Wir können uns nicht beschweren. Die Frage nach Label-Kollegen ist schwieriger. Ehrlich gesagt, höre ich mir die meisten anderen Bands nicht an, aber OKKULTOKRATI und SUMMON THE CROWS sind cool und verdienen Beachtung. „Spring Forward“ ist als Vinyl auf dem deutschen Label Cobra X Records erschienen, das betreibt der Daniel von SIRENS und aktuell STATIC VOID. Guter Typ, gutes Label. Auf der Platte sind außerdem noch ein paar ältere Songs mit drauf.
Schon seit Jahren spielt ihr diesen intensiven Mix aus melodischem Hardcore/Punk mit verzweifeltem, rauhen Gesang, der momentan angesagt ist. Wie schafft man es, nicht bloß andere zu kopieren, sondern innovativ zu sein?
Gar nicht. Von Anfang an haben wir uns kaum Gedanken über unseren Sound gemacht. Ein paar von uns haben vor DEATH IS NOT GLAMOROUS schon mal in einer anderen Band zusammen gespielt. Aber da war schnell klar, das führt uns nirgendwo hin. Also habe ich vom Bass zum Gesang gewechselt, Terje von Drums zur Gitarre und Espen wurde an der Gitarre auch immer besser. Außer Emanuele kam noch Even von DAMAGE CONTROL neu dazu, dem wir erzählt haben, wir machen Indie-Rock. Innovation war nicht unser Ziel. Wir wollten lediglich Hardcore-Punk mit melodischem Gesang spielen. Unsere Inspiration für Musik und Texte ist sehr vielseitig, aber ich denke, bis zu einem gewissen Grad ist sowieso alles nur eine Kopie. Terje wollte vielleicht wie LIFETIME klingen, Espen wie NEGATIVE APPROACH, Emanuele wie AS FRIENDS RUST, Even wie die verdammten BLOC PARTY und ich habe versucht, Texte zu schreiben wie PROPAGANDHI und EMBRACE. Ich weiß nicht, wie erfolgreich wir mit unseren Bemühungen waren, aber wir sind, wer wir sind, und wir machen das, worauf wir Lust haben.
Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger gab es in Oslo eine sehr lebendige Hardcore-Szene, mit Bands wie SISTE DAGERS HELVETE, KORT PROSESS, LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT? und SO MUCH HATE. Erinnert ihr euch noch an diese Bands, kennt ihr deren Veröffentlichungen oder sind es eher US-Bands, wie die vielzitierten DAG NASTY, mit denen ihr euch verbunden fühlt?
Wir alle stehen eindeutig auf den klassischen Norwegen-Hardcore – KAFKA PROSESS und SVART FRAMTID fehlen definitiv noch auf deiner Liste. Ich denke, die meisten der heutigen Kids in der Punk- und Hardcore-Szene hören diese Band immer noch – und das zu Recht! Sie sind die Paten des norwegischen Punks. DAG NASTY sind super. Ich hatte sie jahrelang nicht gehört, aber letztens habe ich noch einmal „Can I Say“ aufgelegt und war wieder total begeistert.
Norwegen wurde diesen Sommer hart getroffen von dem Terroranschlag dieses rechtsradikalen Killers. Wie habt ihr das Ganze erlebt, hat sich dadurch eure Einstellung geändert zum Gebrauch gewalttätiger Bilder, Songtexte und so weiter? Ein Albumtitel wie „Kill ’em All“ von METALLICA mag ja cool klingen, aber sobald es das eigene Leben berührt, weil jemand genau dies in die Tat umsetzt, sieht man es dann mit anderen Augen?
Als Anders Behring Breivik im Regierungsviertel von Oslo eine Autobombe zündete, dabei Menschen tötete und verletzte, erhebliche Gebäudeschäden anrichtete und später in einem Zeltlager 85 Kids erschoss, waren wir gerade auf Tour mit TOUCHÉ AMORÉ und LA DISPUTE. Um genau zu sein, hatten wir gerade unsere Show auf dem Fluff-Fest gespielt, als die Neuigkeiten von diesem Vorfall nach und nach zu uns durchsickerten, durch Nachrichten und Anrufe von Freunden und der Familie zu Hause in Norwegen. Das Ausmaß der Ereignisse wurde uns erst nach ein paar Tagen bewusst. Ich denke, den meisten Leuten ging es so, ob in Oslo oder woanders. Natürlich war es furchtbar für uns und wir haben es bei unseren Shows angesprochen. Sollen wir nach solch einer Tragödie auf die Bühne gehen und so tun, als ob nichts wäre? Was die Darstellung von Gewalt in unserer Musik betrifft: so etwas gibt es bei uns nicht. Ich denke, bereits mit der Wahl unseres Bandnamens haben wir eindeutig Position bezogen. Ich selbst habe kein Problem mit der Darstellung von Gewalt in der Musik, denn es ist eben nur Metaphorik. Manchmal schaue ich mir gewalthaltige Filme an oder lese ein entsprechendes Buch, aber mit der Band möchte ich lieber andere Themen mit anderen Mitteln ansprechen.
Auf eurer CD steht folgendes Zitat: „Flip every cross that crosses you. Burn every church that casts it’s shadow on you. Their values never appealed to us. Their rules do not apply to us“. Was steckt dahinter?
Die Zeilen stammen aus dem Song „Invincible summer“. Wir hatten mal ein T-Shirt-Motiv mit einem umgedrehten Kreuz, was dazu führte, dass unsere Worte aus dem Kontext gerissen und falsch interpretiert wurden. Unsere Botschaft lautet nicht: „Brennt Kirchen nieder, scheißt auf Gott, 666“. Es geht vielmehr darum, eine Ideologie abzulehnen, die einem Vorschriften zu machen versucht, was für ein Mensch man zu sein hat oder werden möchte. Es ist kein Geheimnis, dass keiner von uns ein ausgesprochener Anhänger des Christentums oder sonst einer Religion ist. Ich nehme das Christentum als Bespiel, weil es in Norwegen und für uns die vorherrschende Religion ist und vielleicht besonders berüchtigt für Gewalt und Verbrechen, die „im Namen Gottes“ verübt werden. Meiner Ansicht nach ist das Christentum von Natur aus patriarchalisch, sexistisch, homophob und gewaltfördernd. Mir geht zwar der Trend im Hardcore zu umgedrehten Kreuzen auf die Nerven, trotzdem halte ich es natürlich für wichtig, sich klar gegen Religion zu positionieren. Es sollten viel mehr Leute ihren „unerschütterlichen Glauben“ an derartige Institutionen in Frage stellen, gerade, wenn deren Werte in Widerspruch stehen zu ihren eigenen. Eine brennende Kirche ist mir definitiv lieber als der Bau einer neuen. Noch besser fände ich es aber, eine Kirche zu besetzen, etwas Konstruktives zu machen ist jedenfalls besser als irgendwas Destruktives. Ein Thema, zu dem mir noch allerhand einfallen würde, aber das sprengt hier den Rahmen. Bei Interesse schreibt mir eine Mail an christian.medaas@gmail.com. Mein Vorname ist die pure Ironie, oder? No gods, no masters!
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