MORRISSEY

You Are The Quarry CD+DVD

Eine Platte, die jeder Kritiker lieben muss, denn hier kann er wenigstens einmal ohne zu lügen ein gutes Review verfassen, sein Gehirnlexikon spielen lassen, Jahreszahlen präsentieren, auf die SMITHS verweisen und posthum die letzten drei Morrissey-Alben verfluchen, die er, wenn man in den Heften von damals nachschlagen würde, seinerzeit wenigstens "passabel" fand.

Nun, es ist die beste Morrissey-Platte seit langer, langer Zeit, denn es ist viel Wasser am Nil gestaut worden, seit die letzte, etwas verbitterte Platte "Maladjusted) erschienen ist. In den Jahren ohne Morrissey, der etwas dicker, grauer, älter und entspannter geworden ist, gab es in der Musikwelt grobe Veränderungen, neue Bands, wenig wirklich Aufregendes und kaum Weltbewegendes.

Da tut es gut, wenn ein altbekannter Ex-Sänger der SMITHS wieder auftaucht und zur Abwechslung einmal handzahm der Presse Rede und Antwort steht. Bleibt die Frage, ob das nicht auch einer der Gründe ist, warum die Musikjournalisten so kollektiv auf diese Platte abspritzen.

Versteckter Konservatismus, Freude darüber, dass derjenige, der ihnen früher nicht einmal die Hand gegeben hätte, heute zum Tee einlädt oder die Angst, mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten zu können?! Was auch immer! Nicht, dass wir uns falsch verstehen, "You are the quarry" ist eine gute Platte, relaxt, böse und einem Morrissey würdig, aber es ist keine weltbewegende Platte.

Morrissey erfindet das Rad nicht neu, bringt Altgewohntes, Bewährtes, eine Menge echter Hits ("Irish blood", "First of the gang to die", "I have forgiven Jesus" und viele mehr), aber auch echte Füller, wie das merkwürdige "I'm not sorry", bei dem Steven sich wie bei der ersten Probe zu diesem Song unsicher durch das Stück tastet.

Neue Freunde wird Morrissey mit "Quarry" kaum finden. Wer in Frage kommt, den hat Morrissey sowieso schon gepackt oder von den SMITHS mitgenommen. Aber gut, die CD oder auch das Vinyl lohnt sich.

Die CD +DVD-Edition hingegen ist nicht wirklich lohnend, das Video läuft ab und an im Fernsehen, und die Foto-Galerie ist so schnell durch, wie es eben geht, wenn nicht einmal zehn Bilder drin sind.

Dafür ist der Preis in Ordnung und nicht so gesponnen, wie bei den meisten anderen CDs, denen ein zusätzlicher Kaufanreiz als Entschuldigung für einen kleinen Preiswucher dient. Was sonst? Ein Teil der Band wurde ausgetauscht, was nicht großartig auffällt, und Morrissey hat (wieder einmal) die Plattenfirma gewechselt.

Das Sublabel "Attack" (gehört angeblich ihm) ist Sanctuary angeschlossen und hat einen Majorvertrieb. Das macht ihn zum Kollegen von Kelly Osbourne, ACCEPT, RAMONES, DAMNED, UNDERTONES und SLIME (im Backkatalog von Noise).

Auch festhalten sollte man, dass die Maxis um die Platte herum nicht wie früher kleine Juwelen als "B-Seiten" haben, sondern wirkliche "B-Seiten" sind, die den Namen auch verdienen. (08/10)