Welch passender Untertitel: "Wie der Rock'n'Roll in eine hessische Garnisonsstadt kam ... und wieder verschwand". Hanau, heute ein verschnarchtes Kaff wie unzählige andere in Deutschland, war in den Fünfzigern und Sechzigern einer der heißesten Tipps in Sachen Rock'n'Roll.
Bedingt durch eine große Kaserne der US-Armee existierte eine lebendige Bar- und Kneipenszene, das ganze Spektrum der Jugendkulturen traf sich wochenends zum Tanzen und Prügeln - untereinander und mit den GIs.
Unzählige Bands aus dem In- und Ausland spielten in der Stadt, inklusive (späterer) Stars wie Bill Haley und Jimi Hendrix, deutsche Bands, holländische Indo-Rocker, Engländer und Avantgardisten wie die MONKS, lockten jugendliche Besucher aus ganz Hessen in die Stadt.
Dass das der Obrigkeit ein Dorn im Auge war, dürfte selbstverständlich sein. Weder die deutsche Seite noch die Amerikaner waren zimperlich, Zoff untereinander und mit der deutschen Polizei wie der US-Militärpolizei alltäglich, und so spielte die Stadtverwaltung die Spiele, die Verwaltungen bis heute verstehen: Kneipenwirte und ihre Besucher schikanieren, kontrollieren, bis der brave Bürger wieder seine Ruhe hatte.
Und die hat er heute auch wieder, denn Mitte der Siebziger war der Spuk wieder vorbei: Der Vietnamkrieg zu Ende, die Wehrpflichtarmee auf US-Seite Vergangenheit, und mit den Amis ging auch viel Rock'n'Roll.
All das wird in dieser 44-minütigen Dokumentation von Daniel Siebert erzählt, der mit einer Reihe der damals aktiven Szenegänger Interviews führte. Dazwischen Konzertausschnitte von damals, Kamerafahrten durch das heutige Hanau, überblendet mit Bildern von damals, Zeitungsausschnitte.
Ein unterhaltsamer Film über die Frühzeit des Rock'n'Roll in Deutschland, gut gemacht, auch wenn ein durchgehender Kommentar nicht schlecht wäre. Als Bonus liegt der selbst produzierten DVD ein Stadtplan mit Markierung der damaligen Lokale bei sowie das Faksimile einer Eintrittskarte zur Show der TIELMAN BROTHERS am 1.
Juli 1962 in der "Jolly Bar".
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #61 August/September 2005 und Ingo Rothkehl
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und Joachim Hiller