WHO

My Generation

Die einzige Enttäuschung an dieser Box, bestehend aus fünf CDs, einem dicken Buch und Postern: Sie hat das Format eines LP-Covers – und es ist kein Vinyl dabei ... „My Generation“ ist das Debütalbum von THE WHO, erschien in Großbritannien am 3.

Dezember 1965, und noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn der Titelsong bei ungefähr 2:30 in völlig übersteuerten kakophonischen Lärm ausartet. Wie mag, wie muss das damals gewirkt haben? Doch gleich darauf erscheinen Pete Townshend, Roger Daltrey, Keith Moon und John Entwistle wieder wie die netten Jungs von nebenan, singen im Chor „The kids are alright“.

Doch von einem netten Vokalensemble zur Teestunde ist die 1964 gegründete Band da schon denkbar weit entfernt – unglaublich eingängige Melodien treffen auf für damalige Verhältnisse brutale Gitarrenriffs, die live noch durch Instrumentenzerstörungsorgien untermauert wurden.

Man kann sich als Spätgeborener kaum vorstellen, wie verstörend und bedrohlich diese höllische Rock’n’Roll-Ausgeburt auf Autoritäten gewirkt haben muss, wie verlockend auf zarte Teenagerseelen.

Der Rest ist Legende ... und irgendwie ist es bis heute eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass vielfach die Musikhistorie auf den Bipol ROLLING STONES einerseits und THE BEATLES andererseits reduziert wird.

Ja, beide super, aber ... THE WHO waren die Punks, die Härtesten. Zweifel? Sich einfach mal intensiv die remasterten Mono-Mixes auf CD1 anhören – was für krasser Scheiß! Vieles, was hier zu hören ist, wurde so das erste Mal zelebriert und später zigtausendfach kopiert.

Die gleichen Songs klingen auf CD ganz anders, es ist die Stereo-Mix-Version, die 2014 nur als iTunes-Download erschien – und die Story dazu, im Buch nachzulesen, ist wie eine Einführung in Musikarchäologie: Fünfzig Jahre später herauszufinden, wer was wann wo wie aufgenommen hat, ein Alptraum.

Und dann auch noch festzustellen, welche verschiedenen analogen Tonbandversionen es gibt – hier fehlt dieses Solo, dort jener Part. Folglich spielte Pete Townshend fehlende Parts auf originalen Instrumenten neu ein.

Auf den weiteren CDs finden sich Mono- und Stereo-Bonustracks, unveröffentlichte Demos und Songs. Für Fans ein Muss, für Neueinsteiger eine beeindruckende Dokumentation. Das Buch mit vielen Fotos und Abbildungen liefert (auf Englisch) spannende Hintergrundinfos, und zum Bonusmaterial gehören unter anderem Reproduktionen von Flyern und Eintrittskarten.