Musik mit orientalischer Note kann einem schnell mal auf die Nerven gehen, vor allem in purer folkloristischer Form, was aber nicht heißt, dass solche Einflüsse nicht in einem anderen Kontext zu einer interessanten stilistischen Verschmelzung führen können. Und so finden sich auf „Who Are We?“ Orient und Okzident in einer Art Sechziger/Siebziger-Jahre-Psychedelic-Rock-Umgebung wieder, zu der bei den ersten beiden Tracks Lee Ranaldo (ex-SONIC YOUTH) als Gitarrist seinen Beitrag leistete. Beim vierten Track „Who are they and who are we?“ ist Jello Biafras charakteristischer Gesang zu hören. Das führt nicht gleich zu einer kompletten Verwestlichung des Sounds, der doch klar von arabischen Einflüssen dominiert wird. Verantwortlich für diesen spannenden und originellen „Arabian Fuzz“ ist eine Pariser Band, angeführt vom französischen Musiker Thomas Bellier, der lange Zeit in L.A. gelebt hat und mit AL-QASAR jetzt sein Faible für psychedelischen Pop aus dem Nahen Osten der Sechziger und Siebziger Jahre umgesetzt hat, was auch ein wenig an die niederländische Band ALTIN GÜN und ihren türkischen Psych-Pop oder die türkische Künstlerin Gaye Su Akyol erinnert, deren Platten ebenfalls bei Glitterbeat erschienen. Natürlich kann man sich wie auch bei ALTIN GÜN fragen, wie authentisch das Ganze ist, wenn sich Menschen aus einem anderen Kulturkreis solche Klänge aneignen, was man ja auf den gesamten Weltmusik-Bereich übertragen kann, Stichwort Transkulturalität. So lange solch eine weltoffene Haltung von Musikern ein echtes Interesse an anderen Kulturen fördert, kann man das eigentlich nur begrüßen, vor allem wenn es musikalisch so exzellent funktioniert wie bei AL-QASAR.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #164 Oktober/November 2022 und Thomas Kerpen