TYPICAL GIRLS?

Zo? Street Howe

Machen wir uns nichts vor: Trotz gewisser egalitärer Ansätze war und ist Punkrock auch in Sachen Geschlechterrollen ein Spiegel der Gesellschaft, in der er existiert, und so war es 1976 außergewöhnlich, dass da auch ein paar Frauen im Punk-Zirkus mitspielen wollten.

Mit der Folge, dass die SLITS bis heute als erste (weitgehend) weibliche Punkband gelten und entsprechend zu einem Role-Model für viele Girl-Punk-Bands wurden, gerade auch jenen aus der US-Riot-Grrrl-Bewegung der Neunziger wie BIKINI KILL, BRATMOBILE, TEAM DRESCH oder SLEATER-KINNEY.

So interessant ich THE SLITS wegen ihrer Pionier-Rolle finde, so wenig überzeugend fand ich die Band mit ihren Ausflügen in afrikanische Rhythmen, Dub, Funk und Jazz von jeher in musikalischer Hinsicht – und das gilt bis heute, ist die Band doch seit 2005 wieder aktiv, veröffentlichte 2009 ein neues Album.

Die englische (Musik-)Journalistin Zoë Street Howe sieht das ganz anders, für sie, die sie im gleichen Jahr geboren wurde, in dem das erste SLITS-Album „Cut“ erschien (nämlich 1979), ist das Album eine jener wichtigen Platten im Leben, und so war sie verwundert, als sie Jahre später feststellen musste, dass es zwar über all die anderen Bands wie THE CLASH und SEX PISTOLS Bücher gibt, aber eben nicht über THE SLITS.

Diese Erkenntnis war Motivation genug, das ändern zu wollen, und so machte sie sich auf, die Band zu überzeugen, dass es ihr ernst ist mit ihrem ersten Buchprojekt. Dass dieses Buch nun vorliegt ist der Beweis, dass Howe überzeugen konnte, und so war es ihr möglich, mit Ari Up und Tessa Pollitt als immer noch aktiven Slits wie auch Viv Albertine zu sprechen, deren Materialsammlungen einzusehen und letztlich ein Buch zu schreiben, das dem Phänomen THE SLITS gerecht wird, ja Punk-HERrstory statt Punk-HIStory zu schreiben.

Lesenswert und spannend, auch wenn man eher auf Rockismen steht und wie ich mit den SLITS musikalisch keinen großen Genuss verbindet.