TUNGSTÊNIO

Marcello Quintanilha

Ganz im „Pulp Fiction“-Stil verknüpft „Tungstênio“-Zeichner und -Autor Marcello Quintanilha ein zu Beginn scheinbar zusammenhangloses Gewirr aus Handlungsfetzen und -versatzstücken aus verschiedensten Milieus im Verlaufe des Buches zu einem Großen und Ganzen.

Liebesgeschichten, Affären, Drogen, Gewalt, Verbrechen, Action und Intrigen, alles ist mit dabei. Dabei gelingt Quintanilha das Kunststück, gleichzeitig einen Krimi und quasi im Vorrübergehen ein schlaglichtartiges Porträt der brasilianischen Mittelschicht zu schaffen.

Rückblenden sind dabei zwar selten, haben aber als eine Art innerer Monolog ihre ganz besondere Bedeutung und Daseinsberechtigung. Keiner der wechselnden Hauptprotagonisten kann sich so recht von seiner Vergangenheit frei machen, alle verstricken sich zwischenzeitlich in den Fängen ihrer eigenen Verfehlungen.

In seinem kleinschrittigen und detailversessenen bildlichen Vorgehen glaubt man bei „Tungstênio“ fast, ein zeichnerisch voll ausgearbeitetes Storyboard vor sich zu haben. Hier sitzt wirklich jede Miene und jeder noch so kleine Schweißtropfen.

Das macht es dem Leser einfach, sich in die Situation hineinzuversetzen. Was sich schnell runterliest, lässt aber hier und da auch ein wenig Telenovela-Gefühl aufkommen. Zu viel für meinen ganz persönlichen Geschmack.

Wer also auf Dramatik, Tränen und Haudrauf in kleinen, wohldosierten Häppchen steht, ist hier bestens bedient. Auch ein Sozialwissenschaftler wird sich ein paar Rosinen in Sachen brasilianische Gesellschaft herauspicken können.

Quintanilha legt Wert darauf, dass seine Geschichten zwar frei erfunden sind, aber genauso hätten passieren können. Möglich. Wahrscheinlich aber eher nicht.