Ex-Monty Python Terry Gilliam hatte es ja nie leicht mit seinen Filmen und so gab es auch diesmal wieder Debatten mit dem ungemein sympathischen Harvey Weinstein, dem Rainer Calmund von Hollywood, über die finale Version von TIDELAND, der während einer längeren Drehpause von THE BROTHERS GRIMM entstand.
In seiner Einleitung zu der kürzlich erschienenen deutschen DVD weist Gilliam selbst noch mal darauf hin, dass der Film wohl sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen dürfte, was für TIDELAND mehr gilt, als für all seine anderen Filme.
Denn hinter den mal wieder sehr schönen Bildern verbirgt sich ein höchst morbide Story, sozusagen Gilliams Version von „Alice im Wunderland“, in der die zu diesem Zeitpunkt elfjährige Jodelle Ferland die achtjährige Jeliza-Rose spielt, Tochter einer komplett disfunktionalen Famile.
Als sich die Mutter höchst unschön den goldenen Schuss verpasst (ein durchaus intensiver Kurzauftritt von Jennifer Tilly), macht sich der Papa (Jeff Bridges als abgehalfterter Rockmusiker) mit der Kleinen auf zu einem verlassenen Haus irgendwo in der Prärie, wo er aufgewachsen ist.
Als auch Papa durch Drogeneinwirkung das Zeitliche segnet und fortan im Schaukelstuhl fröhlich vor sich hin verwest, muss sich Jeliza-Rose alleine behaupten, die auf ihre ganz eigene Art mit der unschönen Realität umgeht und sich ihr individuelles Fantasieland schafft.
Aus der Perspektive einer unschuldigen Achtjährigen hat Gilliam ein grausames wie poetisches Märchen für Erwachsene gedreht. Und es wird nicht wenige Leute mit Unbehagen erfüllen, wie Jeliza-Rose hier mit allerlei kruden Ereignissen konfrontiert wird, allen voran der Tod ihres Vaters, der den Rest des Films ständig als Leiche präsent ist und schließlich auch noch ausgestopft wird.
Auch wenn TIDELAND nicht frei von Humor ist, der allerdings tiefschwarz ist, bleibt der Film eine verstörende Erfahrung, die niemand unbeeindruckt lassen dürfte, ob man das Endergebnis nun mag oder nicht.
Allein schon durch die faszinierende Performance von Jodelle Ferland, die permanent Selbstgespräche mit ihren Puppenköpfen Sateen Lips, Glitter Gal, Mustique und Baby Blonde führt, und für ihr Alter bereits eine erstaunliche Filmographie aufzuweisen hat.
Sicher nicht Gilliams bester Film, aber immer noch sehenswert genug. Die deutsche DVD ist absolut empfehlenswert, nicht nur aufgrund der Extras, handelt es sich doch um die momentan weltweit einzige, die das richtige, von Gilliam präferierte Bildformat besitzt, also ein echtes 2.35:1-Bild und nicht wie bei der miserablen UK-DVD ein einfach oben und unten beschnittenes 1.85:1-Bild, wo dann noch mehr Bildinformationen fehlen als bei der US-Version.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #75 Dezember 2007/Januar 2008 und Thomas Kerpen