THE DICKS FROM TEXAS

Klischees über Texas gibt es viele, und wenn einem selbst in der liberalen Hauptstadt Austin, wie vor einigen Jahren am eigenen Leibe erfahren, aus einem Pick-up mit Gun-Rack im Heckfenster ein „Go back to California!!“ hinterhergebrüllt wird, dann kann man sich schon vorstellen, dass Gary Floyd in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern wie ein Alien gewirkt haben muss: ein deutlich übergewichtiger, mal kahlköpfiger, mal Iro tragender junger Mann, der auf der Bühne schrille Frauenkleider trug und stark geschminkt war – Divine aus den Roger Waters-Filmen ließ grüßen.

THE DICKS waren seine Band, hatten ein Logo mit einem D, das aus Hammer und Sichel gebildet wurde, und taten alles, um in der vergleichsweise liberalen Universitätsstadt, ein Fluchtpunkt für alle „Andersartigen“ im Staat, Menschen zu schockieren.

Ihre direkten Zeitgenossen waren ihre „Bruderband“ BIG BOYS, deren Frontmann Randy „Biscuit“ Turner wie Gary Floyd offen schwul war, und MDC, deren Sänger Dave Dictor nichts dagegen unternahm, für schwul gehalten zu werden.

Cindy Marabito hatte den Plan, eine Doku über THE DICKS zu machen, offenbar schon lange, denn ihr Film, der 2015 endlich fertig wurde, ist komplett im Format 4:3 gedreht, und auch der Hinweis auf viele mittlerweile verstorbene Interviewpartner (inklusive Biscuit) deutet darauf hin, dass mindestens zehn, fünfzehn Jahre zwischen Idee und Fertigstellung lagen.

Dass handwerklich hier nicht immer alles stimmt (Schnitt, mit Musik unterlegte Interviewpassagen), sei Marabito vor dem Hintergrund der Einzigartigkeit und Wichtigkeit dieses Films verziehen.

„The Dicks from Texas“ zeigt, dass Punk schon in seiner Frühphase für ein anderes, selbstbestimmtes Leben stand, ein Gegenentwurf zu Machismus und Sexismus war.