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CIVIC

Taken By Force

Wenn es um die Ursprünge von Punk in Australien geht, wird jede:r, der oder die halbwegs im Thema ist, selbst nachts um drei aus dem Schlaf gerissen „THE SAINTS! RADIO BIRDMAN!“ stammeln können. Seitdem sind fast fünfzig Jahre vergangen, zig andere Bands kamen und gingen und speziell in den letzten Jahren haben AMYL & THE SNIFFERS, THE CHATS, CLOWNS oder PRESS CLUB dem Oz-Punk eine Frischzellenkur verpasst. Irgendwie landet man dann aber doch wieder bei den „Patienten Null“, speziell wenn man das neue, zweite Album „Taken By Force“ der aus Melbourne kommenden CIVIC hört, das zudem von RADIO BIRDMAN-Sänger Rob Younger produziert wurde. Und es verwundert kein Stück, dass die eigenen musikalischen Assoziationen eins zu eins matchen mit dem, was Frontmann Jim McCullough – die anderen vier sind Lewis Hodgson (gt), Roland Hlavka (bs), Jackson Harry (gt) und Matt Blach (dr) – in Sachen Gründungsmythos erzählt und dabei exakt diese beiden Bands, also RADIO BIRDMAN und THE SAINTS, namedroppt und das 2017 ins Auge gefasste Konzept so präzisiert: „We were in a bowling alley in Japan and came up with a very strong focus for what the band could do, which was take that three-chord ’70s punk sound but get a little more thoughtful with the melodies and songwriting.“ 2018 erschien dann auch schon die Debüt-EP „New Vietnam“ der eigentlich aus der DIY-Hardcore-Szene von Melbourne kommenden Band, die seitdem ihren schnörkellosen, melodiösen Sound auf vier weiteren Kleinformaten sowie dem 2021er Debütalbum „Future Forecast“ weiter verfeinerte. Für „Taken By Force“, mit dem CIVIC auch international weitere Aufmerksamkeit erfahren dürften, ist der Fünfer nun einen konsequenten Schritt gegangen und holte sich als Produzent Rob Younger von RADIO BIRDMAN ins Studio, eine Zusammenarbeit, die Bassist Roland so beschreibt: „Rob saß beim Aufnehmen dabei und machte wirklich gute Vorschläge, die wir dann durch den CIVIC-Filter laufen ließen, bevor wir das fertige Produkt ausspuckten.“ Und, Überraschung, das klingt dann eben sehr überzeugend nach einer Band, die den Staffelstab der Legende aus den Siebzigern übernommen hat und etwa beim Titelsong „Taken by force“, bei „Time girl“, bei „Trick of the light“ oder „Wars or hands of time“ so verblüffend lebendig diesen markanten Aussie-Proto-Punk-Sound reproduziert, dass ich auch beim x-ten Hören noch euphorisiert bin. Und im Hinterkopf habe, was der Bassist noch an für CIVIC wichtigen Bands nennt, die man aber nicht als unmittelbare Einflüsse wahrnimmt: WIPERS, THE GUN CLUB, POISON IDEA, CRISIS, GG Allin, Rikk Agnew, UK SUBS, CRO-MAGS. Da mag es fast schon enttäuschend erscheinen, dass „Taken By Force“ gerade mal neun Songs enthält (plus Intro und Outro), aber das machen sie wett durch Knackigkeit und Eingängigkeit. Und dann hört man das Album einfach noch mal. Und noch mal ...