Kommen wir zu einem Fallbeispiel für Selbstüberschätzung. 2RECTIFY bemühen sich ohne den Hauch von Ironie um eine bedingungslos professionelle Präsentation ihrer ersten EP. Dieser Mix aus "Rock, Pop, Alternative und Punk" passe in keine Schublade.
Dafür musste sogar ein eigenes "Label" (Crystone Records) gegründet werden. Große Worte. Das Infoschreiben imitiert den Ton der großen Plattenfirmen ziemlich gut. Da lege ich die Latte doch auf Normalhöhe und komme zu folgendem Urteil: Leute, dieses Land braucht viel mehr Bands, die nicht berühmt werden wollen, die ihre Musik und nicht den MySpace-Auftritt in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen.
Bands, die zumindest für die Aufnahmen die Gitarren stimmen, obwohl sie jung und punkrock sind. Bands, die mich nicht bloß mit einem völlig zusammenhanglosen Coverartwork überzeugen wollen, sondern ihre "Erfahrungen" aus den "verschiedenen Bereichen wie Orchestern, Bigbands, Musicals, Bands und Chören" in die Songs mit einfließen lassen.
Oder eben Bands, die wissen, dass es bis zur Speerspitze des guten Geschmacks noch ein langer, harter Weg sein wird, und trotzdem ordentlich auf die Kacke hauen. Man kann ja fette Partys feiern, ohne an Rhythmusfiguren zu scheitern, die noch nicht zum Repertoire gehören sollten, eben weil sie zu schwierig sind.
Einfach mal eine Gesangslinie wählen, die man auch trifft. So etwas in der Art. Doch 2RECTIFY umschiffen mit ihren sechs Songs auf "Straight Up" alle genannten Optionen mit so großem Abstand, dass es schon wieder Seltenheitswert hat.
Auch wenn es noch so schön wäre, sich etwas anderes vorzustellen: Die Welt hat nicht auf 2RECTIFY gewartet. Und nur der selbstreferenzielle Bandname bewahrt das Werk davor, an dieser Stelle weniger Punkte zu kassieren.
(23:52) (2)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Arne Koepke