Irgendwann in irgendeinem Sommer Ende der Neunziger kaufte ich mir im Big Tech in Nagold (später Media Markt) für 10 Mark einen Deutschpunk-Sampler: „Chaostage – Grüße aus Hannover“. Mein erster richtiger Punk-Moment überhaupt.
Danach folgten Konzertbesuche bei WÄRTERS SCHLECHTE und auch Überregionalem wie SCHROTTGRENZE (damals noch mit Pipikacka-Texten) und zu Weihnachten wünschte ich mir einmal alles: ein Plastic Bomb-Abo, alle Alben von WIZO und TERRORGRUPPE auf CD und ein Poster von WOHLSTANDSKINDER.
Alder, war das geil! Geile Melodien, geile dumme Texte von Leuten, die irgendwas unnahbar Cooles hatten. Bei jedem Sampler jeden Scheißsong durchgehört, egal ob die Band KNOCHENFABRIK hieß oder SUPERNICHTS.
Hauptsache es ging ins Ohr und war textlich mindestens genau so witzig wie die zuvor durch die ganze Kindheit abgefeierten Gags von Otto Waalkes und Hape Kerkeling. Viele Jahre später höre ich kaum noch Deutschpunk.
Deutschpunk war mir lästig geworden. Entweder durch Bands, die sich selbst viel zu ernst nehmen mit ihren überproduzierten Metalriffs und kalkulierten Geh-deinen-Weg- und Ich-lass-mich-nicht-verbiegen-Texten (FAHNENFLUCHT) oder affektierte Kunststudent_innen, die auf irgendeiner WG-Party den Entschluss fassten, voll ironisch eine Punkband mit superprolligen Haha-Namen wie PISSE oder MÜLHEIM ASOZIAL zu gründen.
Richtig scheiße. Beides. Also wenn, dann möchte ich meinen Deutschpunk immer noch von richtigen Bauern gespielt bekommen. Richtige Bauern aus langweiligen Käffern in Süddeutschland, nicht aus Berlin oder Hamburg.
Menschen, die ab dem Jahr 2002 keine neue Platte mehr gekauft und kein Szenemagazin mehr gelesen haben und heute auf der Geburtstagsparty immer noch mit vollgestickerten Wandergitarren und einem „Filmriss“-Cover die anwesenden sechs Leute zu Tränen rühren.
Texte über Angela Merkel, Bullen und sich selbst. Haarscharf, aber wirklich haarscharf am Blödel-Fun-Punk vorbei, jeder Song ohne ein einziges Augenzwinkern, sondern genauso gemeint. Das klingt nach den Neunzigern, sieht aus wie die Neunziger und fühlt sich bis zum letzten Uffda-Uffda genau so an wie die Neunziger.
HELMUT COOL sind das beste Deutschpunk-Comeback, das es hätte geben können, denn authentischer und konsequenter geht’s nicht. Pogo!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #136 Februar/März 2018 und Andre Lux
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #136 Februar/März 2018 und Andre Lux
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #147 Dezember/Januar 2019 und Joachim Hiller