HELMUT COOL

Foto

Die hippen Stadtteile von Stuttgart

Zwar reisen HELMUT COOL in dem ihrem Debütalbum „Schlachtrufe BRD GmbH“ beiliegenden Comic-Heft zurück in die Siebziger, doch ihr Sound klingt viel mehr nach Mitt/Endneunziger-Deutschpunk-Sampler als irgendwelche gehypeten Möchtegern-Rumpelbands, die eigentlich aus cleveren SstudentInnen besteht. Denn HELMUT COOL sind vier schwäbische Menschen, die gemeinsam nicht nur ein Hofbräu zu besagten Tonträgern weggedrückt haben. Männer, die vor dem städtischen Jugendhaus durch ihre Gespräche über die glorreichen Zeiten der Pogo-Konzerte und ihre anderen 21 Bands auffallen. Macht euch selbst ein Bild von der fast schon übertriebenen Szenetauglichkeit dieser Band. Die Antworten auf meine Fragen bekam ich eines Nachts gebündelt in etwa zwölf Whatsapp-Sprachnachrichten.

So ein guter Bandname, der Albumtitel verdient jeden Respekt, selbst die Musik ist absolut hörbar. Gehören die stellenweise fürchterlich infantilen Fremdschämtexte mit ihrem Pennälerhumor – „Meinen Kanzler fick ich nich’!“ – zum Gesamtkonzept oder möchtet ihr da irgendwas ironisch brechen? Immerhin kommen einige von euch aus den hippsten Stadtteilen Stuttgarts.

Martin:
Welches Konzept? Und welche hippen Stadtteile in Stuttgart, bitte? Im Ernst? Unsere Texte enthalten Anleihen bei dem konzeptionellen Proto-Hipster-Singer/Songwriter Autobot, während der Humor sich teilweise komplett des Habitus des Egon Forever bedient. Keine Ahnung, ob du den kennst. Comics mit beschissenen Strichmännchen, die Storys sind bedingt brauchbar. So wie unser musikalisches Furzkissen eben auch. Hihi, Furzkissen.

Ihr habt bei Ferdinand Führer aufgenommen, dem Rick Rubin des süddeutschen Punkrock, wo schon DIE VERWESENDEN ALTLASTEN und CLUB DÉJÀ VU ihre Deutschpunk-Klassiker produzierten. Ferdinand erzählte mir nach eurem Besuch, dass ihr euch ziemlich rockstarmäßig verhalten hättet. Chris habe allerdings verteufelt gut abgeliefert und eine grandiose Gesangsspur nach der anderen serviert. Alles in allem sei „Schlachtrufe BRD GmbH“ eine In-Time- und In-Budget-Produktion gewesen. Sind HELMUT COOL etwa hart arbeitende Profimusiker?

Martin:
Zwischenanmerkung: Wir hätten gern vor der Veröffentlichung das Interview noch mal zur Autorisierung, obwohl wir eher Fahrradfahrer sind. Vielleicht wollen wir im Nachhinein noch was ändern, zum Beispiel: alles.

Chris: Wir sind weder Profis noch Musiker noch arbeitend. Wir sind einfach nur hart. Wie EMPOWERMENT. Wenn die Band nichts taugt, legt der Frank Farian des schwäbischen Tiefgaragen-Recordings, der er nämlich eigentlich ist, gern selbst noch mal Hand an. Er sagt dir: „Der Take war okay“ – und spielt ihn nachts dann aber selber noch mal richtig ein. Klingt dann alles ein bisschen wie CLUB DÉJÀ VU.

Poppige Akkordfolgen, eingängige Harmonien, dazu Assitexte und aufgesetztes Punk-Getue bei festem Arbeitsvertrag und Drei-Zimmer-Wohnung. Wer außer euch selbst braucht HELMUT COOL heutzutage eigentlich?

Chris:
Mein Haus, mein Auto, meine Punkband. Nicht auf die Anzahl der Zimmer, sondern auf die Grundfläche, ohne Dachschräge, kommt es an, Baby.

Ich hörte die Demosongs schon vor dem Release. Warum ist der größte Hit, „Ich brauch dich nicht“, eine Frühneunziger-Prollpunk-Liebeshymne im DRITTE WAHL-Style, nicht drauf, dafür aber das unzumutbare „Bullenparanoia“?

Chris:
Wir haben eine Unterlassungsklage der Onkelz befürchtet, da der Song in seiner inhaltlichen Leere und seinem musikalischen Stumpfsinn selbst auf deren schwächeren Alben wie zum Beispiel „Ihre schönsten Lieder“ untergegangen wäre. „Bullenparanoia“ war besser, weil wir bei der vertraglich geforderten Mindestspielzeit von 38:32 Minuten durch dieses eher kurze Stück mit minimalem Aufwand das maximalste Outcome generieren konnten. Vergleiche: „Autobahn“, „Brauner Kommerz“, etc.

Warum Twisted Chords statt Nix Gut? Ich habe euch bei der Bandprobe mal Dosenbier trinken sehen, außerdem trägt mindestens einer von euch eine Kutte mit Nieten dran!

Chris:
Für Nix Gut war unser beinharter Deutschrock nicht identitätsstiftend genug. Aber selbst früher signte Nix Gut Bands erst ab einem Nietenjacken-Anteil von 70 bis 80%. Oder alternativ Oberlippenbärte und Schlappiros. Twisted Chords wollte uns zwar auch nicht, nachdem wir aber das Labellogo einfach auf die Plattenhüllen gedruckt haben, meinte Tobi notgedrungen: egal.

Wem von euch vieren muss man bei Konzerten außerhalb Baden-Württembergs als Erstes einen Maulkorb verpassen? Martin – braucht ewig, um eine Story zu Ende zu erzählen; Bernd – jeder zweite Gag geht komplett ins Leere; Chris – tyrannischer Musiknerd und Besserwisser; oder Max – Grauzone?

Alle:
Wer ist Max?

Ihr seid nun alle Mitte bis Ende dreißig, habt es endlich geschafft, genießt den ersten Bandhype eures Lebens. Wird die nächste Veröffentlichung eine Split-7“ mit einer namhaften Deutschpunk-Band, ein Live-Album oder eine Platte mit zwanzig Gastbeiträgen abgeschmackter Szenestars, wie Wölfi oder Claus Lüer?

Bernd:
Unsere nächste Veröffentlichung wird eine limitierte Doppel-Live-Cover-Picture-Shape-Split-7“ – einseitig bespielt, mit schönem Siebdruck auf der bespielten Seite – mit abgehalfterten Lokalszenegrößchen, zum Beispiel Andre Lux und Fridolin Fahrer. Gemeinsam covern wir die erste BON JOVI-Scheibe.