Einer der besten Hardcore-Songs aller Zeiten ist „State oppression“ von RAW POWER. Der Song der Band aus dem norditalienischen Poviglio war bereits auf dem ersten Album „You Are The Victim“ zu hören, das die 1981 von den Brüdern Mauro (vocals) und Giuseppe Codeluppi (guitar) gegründete Formation 1983 veröffentlicht hatte.
Ein Album, das bereits viel vom Potenzial der Band verriet, aber es dauerte noch zwei Jahre länger, bis RAW POWER 1985 Neuaufnahmen eines Großteils dieser Songs auf dem US-Label Toxic Shock unter dem Titel „Screams From The Gutter“ veröffentlichten und damit einen erheblichen Popularitätsschub erlebten.
Im US-Hardcore war seinerzeit die Verschmelzung von Hardcore und Metal zu Thrash und später Crossover im vollen Gang, und es ist kein Zufall, dass D.R.I.s epochales „Dealing With It“-Album zum gleichen Zeitpunkt erschien.
„Screams From The Gutter“ ist auch 25 Jahre nach seinem Erscheinen noch ein Album, dem man anhört, dass es neue Maßstäbe gesetzt hat: So unfassbar aggressiv, brutal und laut hatte man Hardcore vorher nie gehört, und es war wohl eine Mischung aus Wut über den US-Präsidenten Ronald Reagan und die Erfahrungen mit Staatsgewalt angesichts der sozialen Konflikte, die damals gerade in Norditalien tobten, Rechte gegen Linke, Staat und Polizei gegen besetzte Häuser und autonome Zentren, die RAW POWER-Songs wie „State oppression“, „Army“, „My boss“, „Start a fight“, „Hate“, „Our oppression“, „We’re all gonna die“, „Police, police“ oder „Politicians“ zu solch zeitlosen Klassikern machte.
In Sachen musikalischer Härte machte die Band ihren Namenspaten THE STOOGES alle Ehre, und Produktion wie Aufnahmequalität der Lieder lassen sogar noch heutige Hardcore-Bands im direkten Vergleich alt aussehen.
Das Schlagzeug wummert wie das dunkle Grollen eines Flächenbombardments, die Gitarren sind punktgenau abgefeuerte Salven, und Mauros Gesang ist ein nihilistisches, wütendes Gebell – Paul Mahern (ZERO BOYS) leistete ganze Arbeit.
Dagegen klangen MINOR THREAT wie brave kleine Jungs aus der Vorstadt. NEGAZIONE, ebenfalls aus Italien, schafften es zeitgleich, Musik ähnlicher Intensität aufzunehmen. 1986 erschien ebenfalls auf Toxic Shock die 4-Song-EP „Wop Hour“, kurz darauf das Album „After Your Brain“, auf dem die brachiale Energie von „Screams ...“ einer gewissen Melodiösität gewichen ist, ohne dass man jedoch von einem wirklich schwächeren Album sprechen kann.
Mit „Mine To Kill“ kam auf Southern 1989 der nächste Longplayer, und alle vier erwähnten Titel verbindet, dass sie von den guten Menschen von Beer City zu einer in DVD-Aufmachung daherkommenden Box Doppel-CD zusammengefasst wurden, ergänzt um eine DVD mit den Mitschnitten zweier kompletter Live-Shows von 1986 und 1987 sowie ein Booklet mit allen Texten, Cover-Abbildungen, Fotos sowie Linernotes von Sänger Mauro.
Bekanntlich sind RAW POWER immer noch aktiv, obwohl Giuseppe Codeluppi kurz nach der Fertigstellung des Albums „Still Screaming After 20 Years“ von 2002 einen Herzinfarkt erlitten hatte und verstarb.
Mit „Resuscitate“ veröffentlichte die Band 2010 ein exzellentes neues Album. RAW POWER sind essentieller Bestandteil jeder Hardcore-Sammlung – wer sie nicht kennt, kann Hardcore nicht verstehen.
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