HAARMANN

Peer Meter, Isabel Kreitz

„True Crime“-Literatur sucks, zumindest der größte Teil davon, denn nur die wenigsten Autoren sind in der Lage, über die bekannten Fakten hinaus neue Erkenntnisse zum Thema Serienkiller zu liefern. Selbiges gilt für den Fall Fritz Haarmann, dessen Taten gut dokumentiert sind.

Die damaligen Verhörprotokolle dienten als Grundlage für Romuald Karmakars Film „Der Totmacher“ von 1995. Jetzt wurde Haarmann, der zwischen 1918 bis 1924 über 20 Jungen umbrachte, zur Comicfigur.

In Zusammenarbeit mit Peer Meter, der sich in GIFT mit der Giftmörderin Gesche Gottfried schon einer ähnlich unangenehmen Person angenommen hatte, schuf Isabel Kreitz, eine der besten deutschen Zeichnerinnen, eine aufgrund ihrer Authentizität faszinierende Momentaufnahme der Zeit kurz vor Haarmanns Verhaftung, festgehalten in ihren typischen, um Realismus bemühten weichen Kohlezeichnungen, die das Hannover der 20er Jahre beeindruckend zum Leben erwecken.

Dabei halten sich Kreitz und Meter zwar nicht ganz an die Fakten der Haarmann-Geschichte, dennoch gelingt ihnen durch die Reduzierung auf einen recht kurzen Zeitabschnitt ein düsteres, vielschichtiges Sittengemälde, das die Zustände in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg anschaulich vermittelt, in dem ein Geisteskranker und Verbrecher wie Haarmann die Möglichkeit bekam, sein Unwesen zu treiben und dabei sogar noch lange Zeit von der Polizei gedeckt wurde.

Insofern ist HAARMANN deutlich mehr als nur eine profane Aufarbeitung der Taten eines Serienkillers und liefert eben das, was eigentlich alle Arbeiten dieser Art leisten sollten: die Einordnung einer solchen Person in ihren zeitgeschichtlichen Kontext.