„I left my teeth back in the Netherlands“, entschuldigte SNFU-Frontmann Mr. Chi Pig auf einem ihrer Reunion-Konzerte letzten Sommer seinen zahnlosen Mund. Irgendwie hatte ich zuvor keinen Schimmer, wie es um den Mann bestellt ist, dem sich Sean Patrick Shaul nun mittels dieser Dokumentation gewidmet hat.
Kenn Chinn, so sein bürgerlicher Name, erzählt zunächst von den Anfängen seiner Punk-Karriere, wie er in den Nachrichten die SEX PISTOLS sah und entschied, sich genauso einen Alter-Ego-Namen wie Johnny Rotten zuzulegen: Mr. Chi Pig.
Genauso unverhüllt kommt er in den nächsten anderthalb Stunden, in beinahe jeder Einstellung rauchend und trinkend, auch auf seinen außergewöhnlichen Leidensweg zu sprechen. Begonnen bei den Geisteszuständen, in denen sich seine Mutter im Rausch befand, die wohl sehr extrem auf Alkohol reagiert haben muss, und dem Punkt, als er plötzlich Stimmen in seinem Kopf hörte und an Schizophrenie litt („It was like the fucking angel and the devil, but I could hear them in my head / Life changed at that point / And it scared the fucking shit out of me, man“) über seine Drogensucht, einen geplanten Suizidversuch, bis zu der Zeit, in der er schließlich obdachlos wurde und versuchte, seinen Schmerz auf den Straßen Vancouvers mit verschiedenen Substanzen abzutöten.
Dazu äußern sich Weggefährten wie Chuck Dukowski, Jello Biafra, Shawn Stern oder Joey Shithead zu SNFU und geben unfassbare Storys zum Besten, zum Beispiel von Chinns Chrystal-Meth-Abhängigkeit (aufgrund derer er auch seine Zähne verlor), die in manchen Fällen dazu führte, dass er tagelang nicht schlief oder extreme Paranoia entwickelte.
Wenngleich manche dieser Geschichten sicherlich auch amüsant sind, ich hatte beim ersten Mal durchgehend einen Knoten im Bauch, so schonungslos wird die drangsalierte Person Mr Chi Pig charakterisiert, der in seinem Leben von einer Scheiße in die nächste stolperte und der aufgrund seines Drogenmissbrauchs mittlerweile wirklich wie ein 80-Jähriger aussieht.
Eine sehr erhellende Dokumentation über ein absolutes Unikum, einen Menschen, der sehr selbstreflektiert wirkt, um seine missliche Lage weiß und der sein Glück doch immer wieder in Gestalt von Musik fand.
Für SNFU-Fans unabdingbarer Pflichtstoff!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Andreas Krinner