Der Fluch des Hits: „Far from any road“ vom bereits 2003 erschienen sechsten THE HANDSOME FAMILY-Album „Singing Bones“ wurde 2015 durch die Auswahl als Titelsong der US-Serie „True Detective“ zum Überhit. Der Song ist einfach grandios, auch beim x-ten Male packt er einen wieder – und er komprimiert alles, was das Ehegatten-Duo Brett und Rennie Sparks aus Albuquerque, New Mexico seit dem Debüt „Odessa“ ausmacht. Über „Odessa“ schrieb ich 1995 in Ox Nr. 21 dies: Ich kann Country eigentlich ja nur in homöopathischen Dosen ertragen, doch die HANDSOME FAMILY kann mich mit ihrem Debütalbum absolut begeistern. Familienvater ist ein gewisser Brett Sparks, am Bass werkelt Rennie Sparks und Mike Werner trommelt. Höchst erstaunlich ist die musikalische Bandbreite der hier versammelten Songs, derer es gleich 14 gibt: Von der ultrakitschigen Countryschnulze über Hippieliedchen bis hin zum wummernden Noise-Song ist alles dabei, wobei die Stilwechsel teilweise völlig abrupt mitten im Song erfolgen. Das Geheimnis dieser süchtig machenden Mischung liegt jedoch eindeutig in Bretts Gitarrenspiel begründet: Im einen Augenblick noch der schläfrige Cowboy mit Wandergitarre, mutiert der Mann von einer Sekunde auf die andere zur brutal rockenden Lärmbestie. Wunderbar! – Und zum Nachfolger „Milk And Scissors“, 1996 erschienen, schrieb ich in Nr. 24: Wie das letztjährige Debütalbum der Chicagoer Neo-Country-Combo versetzt mich auch das neue Werk in ziemliche Begeisterung: auf den Spuren von Neil Young und diversen Country-Heroen (deren Namen ich zwar zitieren könnte, deren Musik mir aber unbekannt ist) klampfen Brett und Rennie Sparks sowie Mike Werner mit diversen Gastmusikern eine völlig unpeinliche Mischung aus traditionellem white man’s blues mit elektrisch verstärkten und bisweilen auch verzerrten Gitarren. Cool auch die Texte: skurrile kleine Geschichten mit der hoffnungslosen Melancholie eines Roadmovies. – Besser kann und könnte ich das auch heute nicht beschreiben anlässlich der Neuauflage beider Alben im CD- wie LP-Format. Zwei kleine Meisterwerke.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #128 Oktober/November 2016 und Joachim Hiller