NICK CAVE & THE BAD SEEDS

No More Shall We Part

Die nächste Rerelease-Runde in Sachen NICK CAVE & THE BAD SEEDS gilt den Alben „Let Love In“ (1994), „Murder Ballads“ (1996), „The Boatman’s Call“ (1997) und „No More Shall We Part“ (2001). „Let Love In“, der Nachfolger von „Henry’s Dream“ (1992), entstand nach dem 1993 erfolgten Umzug Caves nach London eben dort, und er versammelte gleich eine ganze Reihe alter Freunde um sich: Tex Perkins, Rowland S.

Howard, Spencer P. Jones und Warren Ellis waren damals unter den vielen Gästen, wobei die BAD SEEDS seinerzeit aus Blixa Bargeld, Martyn P. Casey, Mick Harvey, Conway Savage und Thomas Wydler bestanden.

„Do you love me?“, „Loverman“ und „Red right hand“ wurden als Singles ausgekoppelt, „Thirsty dog“ und „Ain’t gonna rain anymore“ hätten dies aber gleichermaßen verdient gehabt, repräsentieren sie doch bestens Caves Fähigkeit zum großen Drama, zu Pathos und überschwänglichen Emotionen.

Unverständlicherweise kein Album-Song war „(I’ll love you) Till the end of the world“, das damals nur als B-Seite der „Loverman“-Single veröffentlicht wurde sowie als Teil des Soundtracks zum Wim Wenders-Film „Bis ans Ende der Welt“ (1991).

Im Audio-Teil der beiliegenden Bonus-DVD (einerseits Dolby 5.1-Versionen von fünf Songs, andererseits diverse Videoclips zum Album) findet sich das Stück zum Glück, ist es doch einer meiner zehn liebsten Cave-Songs.

Und wenn wir bei Lieblingssongs sind: „Where the wild roses grow“, Caves ergreifendes Duett mit Kylie Minogue von „Murder Ballads“ (1996) ist ein weiterer solcher – ein ergreifendes, düsteres Stück mit wundervoll schwülstigen Streichern.

Mit „Henry Lee“ findet sich noch ein weiteres Duett, hier mit PJ Harvey, mit der Cave eine kurze Beziehung führte. Ersterer Song wurde schon im Herbst 1995 als Single veröffentlicht und entwickelte sich zum bis dato größten Hit der BAD SEEDS.

Dem Titel entsprechend widmete sich das Album thematisch Verbrechen aus Leidenschaft – sehenswert ist da immer wieder das auf der Bonus-DVD enthaltene Video zu „Where the wild roses grow“.

Dem düsteren Thema steht der bisweilen recht fröhliche musikalische Unterton des Albums entgegen – „The curse of Millhaven“ etwa wirkt ausgesprochen ausgelassen. Zehn Songs sind auf dem Album, „Death is not the end“, der letzte, ist im Original von Bob Dylan.

Definitiv eines der wichtigsten BAD SEEDS-Alben, sowohl in musikalischer wie pophistorischer Hinsicht. Nur ein Jahr später schon erschien „The Boatman’s Call“ (1997), ein gänzlich anderes Album, an dessen Entstehung zwar acht Musiker beteiligt waren, das aber klingt, als wäre der Klavier und Orgel spielende Cave von gerade mal zwei Leuten sehr vorsichtig und leise begleitet worden.

Textlich ist das Album von Caves nicht als naive Frömmelei deklassierbarer Spiritualität geprägt, der Opener „Into my arms“ – neben „(Are you) The one I’ve been waiting for?“ die andere Single des Albums – belegt das deutlich und wurde von Cave Ende 1997 bei der Beerdigung des durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen INXS-Sänger Michael Hutchence gesungen.

Ruhig, nachdenklich, leise – kein typisches Album, aber ein nichtsdestotrotz intensives Werk. Vier Jahre ließen sich Cave und die BAD SEEDS dann Zeit bis zu „No More Shall We Part“ (2001).

Musikalisch passierte nicht viel in der Zeit dazwischen, Cave laborierte vielmehr an seiner Alkohol- und Heroinabhängigkeit, und so wunderte es nicht, dass „No More ...“ nicht weniger düster, nachdenklich und leise ausfiel als sein Vorgänger.

Auch hier sind die Songs pianolastig, der große, oft auch pompöse Bombast, wie man ihn bis Mitte der Neunziger von Cave und Band kannte und auch schätzte, war Vergangenheit. Erst mit „Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus“ (2005) kehrten Cave & Co.

dorthin zurück. Für sich genommen und in puncto eingängiger Hits mögen „The Boatman’s Call“ und „No More Shall We Part“ enttäuschen, im Gesamt-Opus haben sie ihren Platz längst gefunden.