Wenn es eine Band 43 Jahre nach ihrer Gründung noch gibt, so wie NO MORE aus Kiel, dann hat das entweder etwas mit gut konservierter Nostalgie zu tun oder echter Weiterentwicklung. Zumal das Duo Andy A. Schwarz und Tina Sanudakura immer mit dem Fluch ihres Überhits „Suicide commando“ von 1981 zu kämpfen hatte, mit dem allerdings ihre letzten Platten „Sisyphus“ (2012) oder „Silence & Revolt“ (2015) nicht mehr allzu viel zu tun hatten. Zuletzt erschien 2020 die EP „The End Of The World“, auf der NO MORE auf gewisse Weise Vergangenheitsbewältigung in eigener Sache betrieben und unter anderem JOY DIVISION, VELVET UNDERGROUND und X-MAL DEUTSCHLAND coverten. Mitte Oktober erscheint das neue Doppelalbum „Kissin’ In The Blue Dark“ mit gleich 29 Songs, die eine Disc heißt „Blue“, die andere „Dark“. Vor allem „Dark“ erweist sich dabei als sehr ambitionierte Angelegenheit, da NO MORE hier in überwiegend instrumentalen Filmmusik-Gefilden unterwegs sind, irgendwo zwischen Neo-Klassik, Krautrock, Dark Ambient und Techno, was in atmosphärischer Hinsicht absolut gelungen ist. „Blue“ ist dann eher traditionellem Songwriting verpflichtet, und knüpft an „Sisyphus“ und „Silence & Revolt“ an. Schwarz bewegt sich als Sänger dabei weiterhin in einer Schnittmenge aus David Bowie und Gavin Friday, während NO MORE mit entspannter, düster-melancholischer Cave-Stimmung den New Wave der Achtziger auf höchst unpeinliche Weise in die Jetztzeit transportieren. So ein bisschen Retro-Feeling spielt beim geschmackvollen Electro-Wave-Pop von NO MORE natürlich durchaus eine Rolle, aber ohne die Plakativität heutiger Goth-Acts.
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