Eigentlich sollte das fünfte Album gar keinen Namen tragen, es sollte einfach nur das schwarze Album sein. Weil in Deutschland aber jedes Kind einen Namen trägt, benannten sie das Album schlicht nach sich selbst. Gleichzeitig ist das schwarze Album ein Opus Magnum wie die schwarzen Alben von METALLICA, Jay-Z oder Prince. DIE NERVEN sind nicht mehr die Underground-Band aus der schwäbischen Provinz. In den zwölf Jahren ihrer Existenz haben sich Max Rieger, Julian Knoth und Kevin Kuhn in die erste Liga der deutschen Gitarrenbands katapultiert. Dementsprechend feierte die erste Single „Europa“ nicht bei einem Stuttgarter Lokalradio Premiere, sondern bei Jan Böhmermann. Angefangen hat alles 2010, als die mikroskopisch kleine Szene in Stuttgart explodierte und eine ganze Reihe von Post-Punk-Bands bundesweit bekannt machte. Plötzlich war vom neuen Seattle Deutschlands oder der Stuttgarter Schule die Rede. Bands wie KARIES, HUMAN ABFALL oder MOSQUITO EGO, die alle ähnlich mit Klang, Sprache und Ästhetik experimentierten wie DIE NERVEN. Klirrende Gitarren, stoische Rhythmen, verklausulierte Texte. DIE NERVEN waren immer der Fixstern der Szene. Mit ihrem Debütalbum „Fludium“ (2012) unterschrieben sie bei This Charming Man Records, mit „Fun“ (2014) folgte ein weiteres Album, bevor sie zum Traditionslabel Glitterhouse Records wechselten. Mit „Out“ (2015) und „Fake“ (2018) ist das Trio dann endgültig im Feuilleton angekommen. Sänger und Gitarrist Max Rieger ist inzwischen ein gefragter Mann am Mischpult und hat Alben für Casper, Drangsal oder Ilgen-Nur produziert. Er und Drummer Kevin leben seit Jahren in Berlin, Bassist Julian noch in Stuttgart.Ihr selbstbetiteltes Album wirkt nun bombastischer und größer als seine Vorgänger. Die Kombination aus Noise und Post-Punk klingt nach ganz großem Kino, nicht nach Kellerclub. Die Berge im Sound sind höher, die Täler tiefer als sonst. Vier Monate lang hat Max Rieger die Songs gemischt, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Ralv Milberg, der eigentliche Stammproduzent der Band, war diesmal nur fürs Mastering zuständig. Fast schon beängstigend prophetisch sind die Texte. Obwohl die Songs schon 2019 komplett fertig waren, wirken sie wie ein Spiegel der aktuellen Dauerkrise. Die Zeile „Ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie“ nimmt unzählige Pandemie-Tote und Kriegsopfer in der Ukraine vorweg. Der Song „Alles reguliert sich selbst“ könnte eine ironische Antwort auf den Klimawandel oder die Politik für Reiche von FDP-Chef Christian Lindner sein. „Ein Influencer weint sich in den Schlaf“ greift die unheimliche Macht der sozialen Medien auf. Sie haben das Ende der Komfortzone erreicht. Bitte aussteigen. Von hier aus geht es zu Fuß weiter.
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