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NERVEN

Fake

Bist du als Band ein Fake, wenn die traditionell ignoranten „Feuilletons“ dich entdeckt haben? Also Schreibende von einst großen und wichtigen Tages- und Wochenzeitungen, die in 99% der Fälle brillante Bands nicht mal dann als solche erkennen würden, wenn sie vor ihrem Schreibtisch spielen würden? DIE NERVEN ist das „passiert“, warum auch immer.

Als Band kann man da nichts machen, wenn man plötzlich „Kultur“ ist und als berichtenswert eingestuft ist, ob man da nun mitspielt oder sich verweigert – letzteres steigert gegebenenfalls nur den Reiz für jene Berichterstatter.

Sei’s drum, „Fake“, um den Titel des vierten Album der (Quasi-)Stuttgarter aufzugreifen, ist keiner, auch wenn es draufsteht, so wie die Pfeife von René Magritte eben doch (k)eine ist: „Ceci n’est pas une fake.“ Dazu muss man nicht Musik- oder Raketenwissenschaft studiert haben, es reicht, das bisherige Schaffen von DIE NERVEN zu betrachten, die in überraschend kurzer Zeit – seit gerade mal sechs Jahren sind Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn musikveröffentlichend aktiv – eine beeindruckende Menge an Platten veröffentlicht haben, die allesamt etwas ausstrahlen, was man eben nicht faken an: Die unbändige Lust daran, kreativ zu sein.

Was man schon an den diversen Nebenprojekten sieht, etwa WOLF MONTAINS und PETE MUFFIN. An „Fake“, im Spätsommer 2017 in zwei Wochen in einem Ferienhaus in der Toskana aufgenommen, begeistert mich schon die Produktion, die Ralv Milberg gezaubert hat: sehr transparent, räumlich und druckvoll, mit viel Platz für die Dynamik der Band, die von leisen, quasi akustischen Passagen binnen Sekunden zu ihrem Noiserock-Trademark beschleunigen kann, mit einem immer wieder faszinierenden Gitarrensound und brillantem Schlagzeugspiel – ältere Musikhörer erschaudern auch diesmal wieder ehrfürchtig, weil hier so wundervoll auf die US-Lärmgitarrenhelden der Achtziger zurückgegriffen wird.

DIE NERVEN sind – Gitarrenmusik hin, deutsche Texte her – das exakte Gegenteil von belanglos gewordenen Indiesauriern wie TOCOTRONIC, von all diesen Schlagerbands mit angedeuteten Punkgitarren.

Sie sind musikalische Solitäre, weil sie – Punk! – einfach nur ihr Ding machen, weil sie Freigeister sind. Mein liebstes Lied deshalb: „Frei“