Foto

MOTHER

Mit seiner zweiten Regiearbeit MEMORIES OF MURDER (davor entstand mit BARKING DOGS NEVER BITE eine nett schwarzhumorige Komödie, es sei denn man ist Hundeliebhaber ...) von 2003 hatte Joon-ho Bong das Serienkiller-Genre vielleicht nicht revolutioniert, aber erfolgreich auf die Ebene eines existentialistischen Kleinstadtdramas gehievt, in dem die Suche nach einem Frauenmörder fast sekundär wird, ähnlich wie in David Finchers brillantem ZODIAC.

Mit THE HOST folgte dann drei Jahre später ein Ausflug in Blockbuster-Gefilde, ein durchaus intelligenter, vielschichtiger Monsterfilm, der mit seinem Genre-Mischmasch eventuell zu ambitioniert war, aber in Südkorea ordentlich die Kassen klingeln ließ.

Mit seinem neusten Film MOTHER (MADEO) hat Joon-ho Bong wieder einen Gang zurückgeschaltet und sich mit eher bescheidenen Mitteln auf die moralischen, um Schuld und Sühne kreisenden Fragen zurückbesonnen, die auch MEMORIES OF MURDER ausmachten, allerdings diesmal in wesentlich ambivalenterer Form.

In MOTHER geht es um die extremen Anstrengungen einer Mutter, ihren geistig zurückgebliebenen Sohn davor zu bewahren, für einen Mord an einem Schulmädchen bestraft zu werden, den er offensichtlich nicht begangen hat.

Doch für Polizei und die anderen Einwohner der ländlich gelegenen Kleinstadt ist der Außenseiter natürlich ein perfekter Sündenbock. Fortan versucht die von Kim Hye-Ja (die in Korea wohl vor allem aus dem Fernsehen bekannt ist) toll gespielte namenlose Mutter die Unschuld ihres Sohnes zu beweisen – Thriller-Motive also, an denen sich seit Hitchcock nicht allzu viel geändert hat.

Mit dem Unterschied, dass Joon-ho Bong sehr gekonnt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt, was die Charakterisierung seiner Figuren angeht, die sich alle in moralischen Grauzonen bewegen, was eine genaue Unterscheidung zwischen Gut und Böse erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht.

Denn manchmal muss man Böses tun, um Gutes zu erreichen, so scheint zumindest das Credo der Mutter zu lauten. Zumal Joon-ho Bong die Thrillerelemente seines Films schließlich zugunsten der Aufarbeitung einer Familientragödie immer mehr in den Hintergrund rückt und den Zuschauer mit dem unguten Gefühl nach Hause schickt, dass es sowas wie wahre Gerechtigkeit nicht zu geben scheint.

Mit gut zwei Stunden ist MOTHER vielleicht ein wenig lang geraten, das Problem vieler koreanischer Filme, aber Joon-ho Bong nutzt diese Zeit gut, um seine emotional extrem verstörende, deprimierende Geschichte über allzu extreme Mutterliebe zu entwickeln und seinen Figuren die nötige Tiefe zu verleihen.

Und auch wenn MOTHER bisher Joon-ho Bongs spartanisch inzeniertester Film sein mag, ist er außerordentlich schön fotografiert, selbst der Schmutz hat hier immer noch einen ästhetischen Reiz.

MOTHER wirkt aufgrund seiner eher unangenehmen Botschaften auf jeden Fall noch lange im Kopf nach, aber man darf nicht den Fehler begehen und hier einen handelsüblichen Whodunit-Thriller erwarten, denn das ist dabei nur am Rande von Interesse.

Wie so oft bei asiatischen Filmen halte ich die deutsche Synchro für weniger gelungen und würde jederzeit die untertitelte koreanische Original-Tonspur vorziehen, aber genau diese Wahlmöglichkeit bietet einem ja glücklicherweise das Medium DVD.