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MOEBIUS REDUX

„Nichts Neues!“, meckert ein Kunde bei Amazon über Hasko Baumanns fürs TV gedrehte Doku MOEBIUS REDUX. Aber das ist sicher Ansichtssache, denn wer ist schon wirklich vollständig vertraut mit dem Schaffen von Jean Giraud, der als einer der wichtigsten Comiczeichner weltweit gilt und mit seinem „Leutnant Blueberry“ und der Comic-Zeitschrift „Métal Hurlant“ (die deutsche Variante hieß dann „Schwermetall“, die amerikanische „Heavy Metal“) die europäische Comic-Landschaft seit den Sechzigern maßgeblich geprägt hat. Selbst Regisseur Baumann, dem wir die wundervolle Episode „Durch die Nacht mit ...

Bruce LaBruce und Jörg Buttgereit“ der langlebigen ARTE-Serie „Durch die Nacht mit ...“ verdanken, gibt im Audiokommentar offen zu, dass er vor diesem Filmprojekt nicht gerade Moebius-Experte war.

Kein Wunder, ist mir Baumann seit seiner Zeit bei der Filmzeitschrift „Der Schnitt“ doch vor allem wegen seiner Vorliebe für Actiongülle à la Albert Pyun in Erinnerung geblieben. Baumann leidet sicher nicht an einem unterentwickelten Ego, dennoch ist sein Audiokommentar eine interessante wie sympathische Angelegenheit, da doch sehr gut vermittelt wird, unter welch schwierigen Umständen solche Projekte letztendlich entstehen, und wie viel dabei dem Zufall zu verdanken ist.

Etwa das Interview mit Regisseur Alejandro Jodorowsky (EL TOPO, SANTA SANGRE), ohne das der Film nicht denkbar wäre, da dieser einige essentielle Infos zu Moebius liefert, aber sich wohl lange sehr sträubte, den Filmemachern dabei entgegenzukommen.

Ebenfalls zu Wort kommen Marvel-Gründer Stan Lee, H. R. Giger, ein ziemlich fertig aussehender Dan O’Bannon (2009 verstarb er dann leider), Mike Mignola, Enki Bilal und Philippe Druillet, ein ebenfalls brillanter Künstler und langjähriger Weggefährte von Giraud, der ähnlich wie Jodorowsky gut mit dessen Persönlichkeit vertraut ist.

Aber so richtig zu kennen, scheint niemand Giraud, der immer ein wenig mysteriös bleibt und ja auch als Zeichner eine äußerst schizophrene Schaffenskraft an den Tag legte. Insofern ist „Nichts Neues!“ natürlich eine recht blödsinnige Bemerkung zu Baumanns Doku, die vielleicht nicht allumfassend oder perfekt ist, aber auf jeden Fall wichtige Aspekte in der Karriere von Giraud herausarbeitet, und vor allem auch noch mal die Umstände thematisiert, die zum Scheitern von Jodorowskys geplanter „Dune“-Verfilmung führten, an der Giraud und ALIEN-Autor Dan O’Bannon maßgeblich beteiligt waren.

Selbst wenn man schon ein wenig mit Girauds Schaffen vertraut ist, liefert MOEBIUS REDUX einem noch mal einen kompakten Schnelldurchlauf durch das Schaffen dieses großartigen Zeichners, natürlich auch bezüglich seiner Arbeit im Filmbereich und seines Verhältnisses zur amerikanischen Comic-Szene.

Durchaus gelungen, auch was die visuelle Seite angeht, zumal das Ganze ziemlich protzig in HD gedreht wurde. In einem Punkt muss ich Baumann allerdings widersprechen, die Musik von Karl Bartos geht einem eher mal auf die Nerven. Kraftwerk hin, Kraftwerk her, Bartos liefert einem hier einen uninspirierten, aufdringlichen SM-Porno-Spacerock, so dass man sich alle Beteiligten permanent in Lack und Leder vorstellt.

Da hätte er vielleicht mal besser Dieter Moebius und Hans-Joachim Rodelius von Cluster fragen sollen (hätte auch vom Namen her einen interessanten Kontrast ergeben), die ihm zu Girauds avantgardistischen Bilderwelten auch die passenden Töne geliefert hätten.

Auf der Bonus-DVD gibt es dann noch jede Menge Extramaterial, das es nicht oder nur zum Teil in den fertigen Film geschafft hat. Und wem das immer noch nicht reicht, kann sich auch noch mal das empfehlenswerte Moebius-Buch von Andreas Platthaus zur Brust nehmen.