DIE FAVORITIN

Matthias Lehmann

Geschlechterrollen, das lässt sich unschwer als eines der zentralen Oberthemen von „Die Favoritin” ausmachen. Nicht nur der Hauptakteur ist gefangen in falschen Kleidern, auch der Großvater muss seine Homosexualität aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungshaltungen verstecken und ein von Unzufriedenheit und Unterwürfigkeit geprägtes Leben fristen.

Weitere wesentliche Motive sind fragwürdige Erziehungsmethoden und psychische Störungen. Auch die finden sich reichlich, speisen sich aber aus den unterschiedlichsten Ursachen. Was auf den ersten Seiten den Anschein einer tagebuchartigen Biografie aus einer vergangenen Zeit erweckt, wandert im Verlaufe der Handlung Richtung Gegenwart und wird zum ganz großen Drama: Nach und nach entspinnt Matthias Lehmann eine verstörende Geschichte, deren Dimensionen von Unrecht und physischer und psychischer Brutalität sich in ganz kleinen Schritten erschließen.

Gekonnt lässt der Autor Vorgeschichte und Haupterzählstrang in Zeitsprüngen zu einem Gesamtbild verschmelzen, das die negativen Auswirkungen von sozialem Druck vor Augen führt.