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MANTAR

Pain Is Forever And This Is The End

Fusion Festival Ende Juni 2015: Tausende bunt gekleidete Jugendliche pilgern zum Raven zu Electro-Acts wie MONOLINK, KOMBINAT 100 oder Martha van Straaten. Und dann kommen MANTAR. Und als Hanno den verkifften Dreadköpfen seine brachialen Akkorde in die entspannt meditierten Ohren schmettert und Erinc mit voller Körperkraft auf sein Schlagzeug drischt, fällt den meisten mehr als nur der Joint aus dem Gesicht. So müssen auch meine Großeltern geguckt haben, als mein Vater mit seiner ersten BEATLES-Platte nach Hause kam – und die sind zur wohl größten Band aller Zeiten geworden. Dazu wird’s bei MANTAR nie kommen, aber mit „Pain Is Forever And This Is The End“ legen sie in ihrer frischen, destruktiven, Genregrenzen überwindenden Art einen weiteren Stein auf den Weg nach oben. Während MANTAR auf den Vorgängeralben vieles live-tauglich eingespielt haben, ging es hier darum, ein Album zu schaffen, wie Hanno und Erinc es sich gewünscht haben. Entsprechend vielschichtiger und filigraner kommen viele Arrangements daher. Bei „Grim reaping“ klingt es beinahe so, als wären Streicher zu hören. Wer jetzt sauber produzierten Glam-Metal erwartet, liegt aber glücklicherweise falsch. Und wer es richtig dreckig will: Dem Deluxe-Box-Set liegt eine Platte bei, auf der Hanno das Album noch mal komplett auf einem räudigen Mehrspur-Tapedeck „neu“ produziert hat. „Pain Is Forever ...“ beginnt mit dem Opener „Egoisto“, ohne herantastendes Intro gibt’s direkt ins Gesicht. Ohne Vorwarnung, ohne Kompromisse. Wie passend, schließlich war das Duo nie eine Band der Kompromisse. Das Projekt MANTAR war von Anfang an als Ventil zum Abreagieren angelegt. Und das ändert sich auch 2022 nicht. In „Egoisto“ gibt es übrigens die zweiten deutschsprachigen Zeilen in der Bandgeschichte: „Es ist kalt“, keift Hanno und gibt gleich die Temperatur der kommenden vierzig Minuten vor. Bei der Deluxe-Version des Albums werden zum ersten Mal in der Geschichte von MANTAR Texte mitgeliefert. Warum? Wohl, weil diese zum ersten Mal zu mehr als dem puren Herausbrüllen aufgestauter Wut und Aggression dienen. „Of frost and decay“ zum Beispiel stellt Gottheiten und Religionen infrage und „New age pagan“ wendet sich gegen Verschwörungs- und Querdenken-Schwachsinn. In Anlehnung daran imitiert das Layout die Optik eines Zeugen Jehovas-Flyers: keine brennenden Kirchen, dafür bunte Himmelsfarben auf weißem Untergrund. Und doch ist „Pain Is Forever And This Is The End“ die düsterste Platte, die MANTAR je hervorgebracht haben. Daneben gibt es aber auch Bretter, die wiederum „nur“ von Wut, Tod und Wickingerschlachten handeln. So wie bei „Pain Is Forever And This Is The End“ kann die überraschend gestartete Geschichte „Mantar“ gerne weitergehen.