CJ RAMONE

Last Chance To Dance

Man muss als Mensch, der die RAMONES grundsätzlich für die größte und wichtigste Errungenschaft dieses Planeten neben Telefon, Internet, Fußball und weißer Schokolade hält, ja aufpassen. Aufpassen, dass man nicht alles, was im unmittelbaren oder weiter gefassten Namen dieser Band unter die Menschen geworfen wird, verklärt und im Anfall eines leidenschaftsgetränkten Euphemismuswahnes preist und über den sprichwörtlichen grünen Klee hinaus lobt.

Das ist mir persönlich zum Beispiel mit CJ Ramones erstem Soloalbum „Reconquista“ passiert, das ich natürlich und vollkommen zu Recht für sehr gut und sehr gelungen halte, das ich darüber hinaus aber 2013 im Moment des Premiere-Hörens fälschlicherweise für den ersten Stein der Weisen seit dem letzten RAMONES-Album „Adios Amigos“ von 1996 hielt.

Insofern gebe ich hier und heute zu: So gut ist „Reconquista“ nun auch wieder nicht. Aber: „Last Chance To Dance“, das ist es! Jawohl! Und dieses Mal habe ich die Joey-mäßige Bandbrille nicht auf.

Dieses Mal blicke ich direkt aus meinem in RAMONES-Songs eingelegten und getränkten Herzen auf die zwölf Stücke, klammere mich dabei an den Strohhalm der Objektivität und muss zugeben: Das hier ist so viel besser als „Reconquista“! Das hier ist die Essenz dessen, was bestenfalls aus der Verbindung Christopher Joseph Ward und RAMONES hervorgehen kann.

Das hier ist viel ausgereifter. Viel dringender. Viel relevanter, weil viel frischer. Es ist keine – man vergebe mir dieses Wort – Flickschusterei wie beim Vorgänger-Longplayer, auch wenn diese Flickschusterei zweifelsohne charmant und gut war.

Jetzt heißt es: Neustart. Das Ohrwurm-Biest „Last Chance To Dance“ ist homogen, harmonisch, passend, aggressiv, sanft, einen an der Hand nehmend und einem die Gehörgänge durchpustend schön.

Allein in „Understand me“, dem Dee Dee-esken „Won’t stop swinging“, dem wie ein Outtake aus den ersten vier RAMONES-Alben klingenden „One more chance“ oder im sehr oldschooligen „Pitstop“ sind derart viel wunderbare Melodien enthalten, dass das seit dem Ende der Band ge„poison“te Fan-Heart zerschmelzen will.

„Long way to go“ hört man die typische, rauh-räudige CJ-Handschrift der letzten RAMONES-Jahre an, als der letzte RAMONES-Bassist Songs wie „Strength to endure“ oder „Scattergun“ zum Oeuvre der Legende beisteuerte.

„Mr. Kalashnikov“ hat Metal am Start. „Cluster fuck“ ist Hardcore. Und „Til the end“ ist die schmalzige Quotenballade im Stile von „I want you around“ oder „Needles & pins“, die bei allen anderen verabscheuungswürdig gewesen wäre außer bei den RAMONES und ihrer „I met her at the 7/11.

Now I’m in 7th heaven“-Attitüde des Ur-Rock’n’Roll. Bei Gott oder welchen hohen Mächten im Himmel oder sonst wo auch immer: Ich hoffe, CJ Ramone liefert uns mit diesem zweiten Soloalbum nicht wirklich die letzte Chance zum Tanzen!