Inzwischen nimmt man Ankündigungen von vermeintlich spektakulären Reunions eher mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Die Erwartungshaltung sinkt auch meist proportional zur Menge an noch vorhandenen Originalmitgliedern, was aber nicht allein der entscheidende Faktor ist. Das konnte man letztens bei der in Originalbesetzung eingespielten neuen SOULSIDE-Platte „A Brief Moment In The Sun“ sehen, bei dem die einst legendäre D.C.-Band nur noch ein völlig redundantes Rock-Album gelang. Und nun erscheint im September ein neues Album der musikalisch auf jeden Fall das Prädikat „legendär“ verdienenden, von 1987 bis 1999 aktiven Chicagoer Noiserock-Band THE JESUS LIZARD (benannt nach dem Helmbasilisk beziehungsweise der Jesus-Christus-Echse, die übers Wasser laufen kann). Aufgenommen wurde „Rack“ in der Originalbesetzung mit David Yow, David Wm. Sims, Duane Denison und Mac McNeilly. Letzterer wurde 1996 durch Jim Kimball (MULE, LAUGHING HYENAS) am Schlagzeug ersetzt, weil er keine Lust mehr aufs Touren hatte. Letztlich brachten THE JESUS LIZARD danach aber nur noch das Album „Blue“ raus, ähnlich wie zuvor schon „Shot“ bei Capitol veröffentlicht und nicht von allen Fans sonderlich begeistert aufgenommen. Auch wenn mich THE JESUS LIZARD in den letzten Jahren nicht wirklich beschäftigt hatten – noch eingeschweißte Rereleases ihrer grandiosen Alben „Goat“ und „Liar“ liegen hier schon seit längerem rum –, vergisst man solche Bands nie, die automatisch aufploppen, wenn es um wichtige Referenzen für Noiserock geht. So ganz aus dem Bewusstsein verschwunden waren sie auch nie, vor allem wegen Denisons Zusammenarbeit mit Mike Patton bei TOMAHAWK ab 1999, die 2021 ein neues Album aufnahmen. Den auch als Künstler und Schauspieler aktiven Yow (2013 erschien ein etwas eigenartiges Soloalbum von ihm) konnte man 2015 und 2019 auch als FLIPPER-Sänger live erleben. Allerdings hatten THE JESUS LIZARD bereits 2008 wieder ihre Touraktivitäten aufgenommen, und 2013 wurden sie mit dem aufwändigen Fotoband „Book“ geehrt. Das neue Album „Rack“ setzt auf jeden Fall die schöne Tradition von Plattentiteln mit vier Buchstaben fort, eine weitere Zusammenarbeit mit dem im Mai 2024 verstorbenen Produzenten Steve Albini gab es hierfür nicht. Musikalisch erreicht „Rack“ zwar nicht mehr ganz die Klasse von Alben wie „Goat“ und „Liar“ und Songs wie „Then comes Dudley“ oder „Puss“ (1993 auch auf einer Split-Single mit NIRVANA enthalten), aber dennoch kann man hier von einer äußerst gelungenen Reunion sprechen. Die mit tighter Rhythmik versehene, wütende Demontage von Bluestexturen klingt nicht mehr ganz so exzessiv und düster wie früher, auch in Bezug auf Yows weniger psychotischen Gesang, aber THE JESUS LIZARD haben dabei keinesfalls vergessen, wo sie herkommen und was ihren Sound mal ausgemacht hat.
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