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HIP PRIESTS

Roden House Blues

Die bange Frage zuerst: Können THE HIP PRIESTS aus Nottingham mit „Roden House Blues“ an ihr bisheriges Meisterwerk „Stand For Nothing“ von 2019 anknüpfen? Nach mehreren Durchläufen lautet die Antwort ganz eindeutig: ja, und wie sie das können, denn es gelingt ihnen ganz locker, tatsächlich noch eine Schippe draufzulegen. Der Opener „Trojan horseshit“, ein zackig nach vorne geprügelter Smasher, zeigt die Band direkt von ihrer aggressiven und wütenden Seite. „Inaction rocks“ verweist die Konkurrenz der Action- beziehungsweise Scandi-Rock-Szene dann endgültig auf die Plätze, denn hier gibt es alles, was ein mitreißender Song braucht – wilde Gitarren, Geschwindigkeit, Hooklines, ein Refrain, der zum Mitbrüllen einlädt, und vor allem jede Menge Power, was anderen Bands des Genres doch immer mehr abhanden zu kommen scheint. Mit „Shakin’ ain’t fakin’“ treiben sie es dann auf die Spitze, indem sie melancholische Gitarrenmelodien sich mit wilden WahWah-Soli abwechseln lassen, im Mittelteil eine dezente Orgel einbauen und auch hier wieder ihr Gespür für beneidenswert tolle Refrains beweisen. „Pissed on power“ ist ein schneller Kracher, gefolgt vom nächsten Hit „Can’t abide with me“, ihrem in anderer Version bereits Anfang 2021 veröffentlichen Corona-Depression-Song, der ebenfalls vor fantastischen Singalongs, Gitarrenläufen und -melodien nur so strotzt. „Chasing death“ ist dann eher Hardcore, bevor mit „Sell my soul“, „Just to get by“ und „Persistance is futile“ die nächsten drei Volltreffer folgen und einmal mehr verdeutlichen, warum THE HIP PRIESTS zu den besten Bands gehören, die die Szene derzeit zu bieten hat und die unbegreiflicherweise immer noch weitestgehend unterhalb des Radars fliegt. Richtig hoch anzurechnen ist den fünf Engländern, dass sie nicht, wie so viele andere Bands zuvor, den Weg in Richtung immer glatt polierterer und immer perfekter klingender Aufnahmen eingeschlagen haben, sondern bei aller Perfektionierung ihres Sounds sehr viel Wert auf Druck, Schmutz und Aggression legen. Zu fünf der insgesamt elf Lieder des Albums gibt es übrigens Videos im Netz zu finden, die anzuschauen sich lohnt. Bleibt nur zu hoffen, dass der bandeigene Leitspruch „The most prolific band you haven’t heard of“ beim kommenden Album nicht mehr zum Einsatz kommen muss. Keine Ahnung, was 2023 noch an guten Alben zu bieten hat, aber mit „Roden House Blues“ haben THE HIP PRIESTS die Latte dermaßen hoch gelegt, dass ihnen die Pole Position kaum noch zu nehmen ist. Und so gehe ich jetzt mit dem Refrain des Rausschmeißers – „Living like you means shit to me / Living like a slave and trying to stay free / Knowing I’m a king / It ain’t so fucking easy“ – auf den Lippen zum Kühlschrank und hole mir ein Bier. Oder doch besser einen Cider!