HIP PRIESTS

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Lockdown-Frustration

Knappe vier Jahre nach ihrem bisherigen Meisterwerk „Stand For Nothing“ legt das Nottinghamer Quintett THE HIP PRIESTS mit „Roden House Blues“ ihr neues Album vor. Gitarrist Austin Rocket und Bassist Lee Love beantworten uns zwischen einer Spanien- und einer Irlandtour via Zoom ein paar Fragen.

Euer neues Album heißt „Roden House Blues“. Was soll das bedeuten?

Austin: Nottingham war lange Jahre in der Herstellung von Spitzen führend. Das Gebäude, in dem sich unser Proberaum befindet, ist eine alte Fabrik für Spitzen namens Roden House. Zudem befindet sich dort das Studio, in dem wir meistens aufgenommen haben. Es ist ein gigantisches Gebäude, das in verschiedene Einheiten unterteilt ist, und ein großer DIY-Punk-Hotspot ist.
Lee: Wir hatten einige Titel auf dem Zettel, als Austin mit der Idee zu „Roden House Blues“ ankam. Unsere Texte sind ja nicht die heitersten. Und dann gibt es zum einen „Lost City Blues“ von den POWDER MONKEYS, es erinnert aber auch an „Roadhouse Blues“ von den DOORS. Jedenfalls finden im Roden House viele Konzerte statt und unser Proberaum liegt tatsächlich nur drei Türen neben unserem Studio, was fantastisch ist.

Das neue Album klingt härter als „Stand For Nothing“.
Austin: Das war nicht beabsichtigt. Auf dem letzten Album gab es viele Overdubs und Studiotricks, die ich diesmal nicht wollte. Ich wollte es so aufnehmen, dass wir es live auch genauso umsetzen können. Vielleicht kommt das auch durch die Lockdown-Frustration. Wir haben das Album in drei Sessions aufgenommen, je fünf Songs, und haben dann die besten ausgewählt.

Mit „Can’t abide with me“ ist ein Titel auf dem Album enthalten, der bereits vor zwei Jahren veröffentlicht wurde.
Lee: Das Stück haben wir neu aufgenommen. Es handelt von der Langeweile während des Lockdowns, den Depressionen, in die man gefallen ist. Das Video zum Song fasst es ganz gut zusammen, denke ich.

„Roden House Blues“ erscheint beim schwedischen Label The Sign. Wie kam es dazu?
Austin: Bisher haben wir alles selbst beziehungsweise auf sehr, sehr kleinen Labels veröffentlicht. Als wir dabei waren, das Album fertigzustellen, habe ich das Material an drei oder vier Labels geschickt, um zu sehen, ob es auf Interesse stoßen könnte. In der Vergangenheit hatten wir bereits Kontakt zu größeren Labels, die uns aber nur hingehalten haben und schließlich fallen ließen. Wir sind mit Viktor von THE DRIPPERS befreundet, die auf The Sign sind. Er gab Lee den Kontakt und ich schickte die Aufnahmen direkt ans Label. Buchstäblich innerhalb einer Stunde bekam ich eine Antwort, in der es hieß, dass er wisse, wer wir sind und was wir machen, und dass er uns bereits eine Weile im Auge hatte und er uns gerne auf dem Label hätte. Es war ganz einfach. Keinerlei Bullshit. Kein Gelaber von Treffen mit dem A&R-Agenten und so, was wir in der Vergangenheit erleben mussten. Es hat aber doch ein paar Monate gebraucht, um die Details zu klären.
Lee: Es dauerte eine Weile, weil sie auch unsere alten Alben wiederveröffentlichen werden. Alles remastert, teilweise in einem neuen Mix. Auch das Artwork wird überarbeitet. Wir wollen einfach mehr Leute erreichen, als nur die immer gleichen zu bedienen, was wir mit The Sign vermutlich schaffen können.
Austin: Es fühlte sich jahrelang so an, als würden wir unsere Platten immer an dieselben paar Menschen verkaufen.

Was hat es mit der „Spasm Gang“ auf sich?
Austin: Die Spasm Gang ist so etwas wie ein Fanclub, den wir vor etwa zehn Jahren ins Leben gerufen haben. Die Split-Single, die wir mit THE DWARVES gemacht haben, war die erste, die das Jeanscover hatte, und zusätzlich gab es einen Aufnäher und einen Button. Meine Mutter hat sich damals an die Nähmaschine gesetzt und 35 Singlecover aus Jeansstoff für mich genäht. Die verkauften sich ruckzuck. Bei „Jesus Died So We Could Ride“ machten wir das wieder und es war so, dass die gleichen Leute sie haben wollten. Da kam uns der Gedanke mit dem Fanclub. Wir hatten jemanden an der Hand, der Rückenaufnäher mit unserem Logo herstellen konnte, dann gab es einen Clubausweis und die Mitglieder bekamen exklusiven Zugang zu den limitierten Platten. Wir sind selber nerdige Plattensammler und es war schön, so was es für die Leute zu machen, die unsere Platten haben wollten.
Lee: Auf diese Weise hat sich eine schöne Gemeinschaft von Leuten zusammengefunden, die man immer gerne auf Konzerten trifft.

Aber das hat jetzt ein Ende?
Austin: Mit dem neuen Album auf einem größeren Label ist das schwer, ja. Aber wir haben die limitierte Version eine halbe Stunde vor dem offiziellen Verkaufsstart online gestellt und den Spasm Gang-Mitgliedern das vorher mitgeteilt, so dass sie die Chance hatten, diese zu bekommen. Wir werden aber weiterhin Singles rausbringen und davon wird es auch die Spasm Gang-Versionen geben.
Lee: Wir werden sicherstellen, dass wir die Leute weiter abzocken können, haha.

Als wir das Interview zu „Stand For Nothing“ geführt haben, war Mike, der auf dem Album spielt, bereits nicht mehr in der Band und auch nicht auf den Fotos. Wie kam es dazu?
Austin: Mike ist ein guter Rhythmusgitarrist. Was wir abseits der Bühne machen, ist uns aber genauso wichtig wie das, was auf der Bühne passiert. Man hängt viel zusammen im Tourbus ab. Mike ist ein eher ruhiger Mensch, hat eine etwas andere Mentalität, was komisch war. Wir haben ein paar Konzerte gespielt, aber ich möchte da nicht ins Detail gehen, weil das nicht fair wäre.
Lee: Es hat auf Tour einfach nicht funktioniert, daher haben wir ihn gebeten zu gehen.

Und wie kam Ben in die Band? Er ist ja wesentlich jünger als ihr.
Austin: Ich kannte ihn schon ewig, weil er in einer Nottinghamer Band namens MANNEQUIN spielte. Wir haben ihnen ein wenig unter die Arme gegriffen, einige Shows mit ihnen gespielt und auch eine Split-7“ mit ihnen gemacht. Dann lösten sie sich auf und als Mike noch in der Band war, bin ich Ben häufiger über den Weg gelaufen. Wir hingen immer öfter gemeinsam ab, sind einen Trinken gegangen und als Mike dann ging, war er die offensichtliche Wahl.

So um 2010 herum hattet ihr schon einmal zwei Gitarristen. Warum hat es acht Jahre gedauert, bis es wieder zwei waren?
Austin: Nachdem Fast Jimmy ausgestiegen war, wollte ich immer einen zweiten Gitarristen dabei haben. Wir haben einige Songs aufgenommen, bei denen ich eine zweite Gitarre gespielt habe, was ich live nicht reproduzieren konnte. Wir spielen häufig Konzerte mit den BITCH QUEENS und Mel, ihr Sänger und Gitarrist, hat oft mit uns gemeinsam gespielt und es ergaben sich dabei so viele Möglichkeiten, MC5-Moves und so. Das wollte ich immer haben. Seit Ben dann da war, ging das alles.

Mit „(No time like) Right now“ habt ihr einen sehr langen und völlig anderen Song im Repertoire. Das Video dazu ist so hypnotisch, dass man es immer und immer wieder anschauen muss.
Lee: Das war zunächst als Witz gedacht. Wir alberten mit der Vorstellung herum ,ein Album mit nur einem Lied rauszubringen. Und es war auch eine Art Mutprobe. Ich habe damals ein Lied von ROXY MUSIC in Dauerschleife gehört, der Titel ist mir gerade entfallen. Ich habe dann ein Demo aufgenommen, das zehn Minuten lang war, und auch das Thema des Songs stand fest, also haben wir das gemacht. Es sollte so eine Rockoper werden wie bei THE WHO und die Leute etwas schocken, haha.
Austin: Wir versuchen immer wieder, in andere Richtungen zu denken und Sachen zu machen, die man nicht von uns erwartet. Als wir den BITCH QUEENS erzählten, dass wir einen zehnminütigen Song aufgenommen hätten, haben sie uns zuerst ausgelacht. Wir spielten es ihnen dann vor und ihnen klappten die Kinnladen runter, haha.

Mit Sweet Ohm Ramalama hattet ihr beide auch kurzzeitig ein eigenes Label. Wie kam es dazu und warum habt ihr es nach drei Veröffentlichungen wieder aufgegeben?
Lee: Wir wollten großartige Alben herausbringen, die nie zuvor auf Vinyl erschienen waren. Glücklicherweise konnten wir MIDNIGHT EVILS, THE DRAGONS und MONGO NINJA bekommen. Auch THE ROBOTS waren im Gespräch, bevor Tvxatakt uns zuvorkamen. Leider sind die Portokosten stark angestiegen und auch der Brexit machte es nicht leichter mit den neuen Zöllen, und so beschwerten sich viele Leute zu Recht über die Preise.