Mit HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER hatte John McNaughton 1989 ein beachtliches Regiedebüt vorgelegt, einen Serienkillerfilm, der sich von den üblichen Stereotypen des Genres deutlich abhob und mehr eine bedrückende Milieustudie war.
Denn sein Serienkiller, der auf den real existierenden Henry Lee Lucas Bezug nimmt, der in den 70ern sein Unwesen trieb, wird recht ambivalent dargestellt. Einerseits ein Psychopath mit unkontrolliertem Mordinstinkt, andererseits jemand, der durchaus Empathie für seine Mitmenschen empfindet, bis der Trieb wieder die Überhand erlangt.
Dieses insgesamt recht amoralische Treiben, das Henry und sein Killer-Kumpel Otis teilweise mit der Videokamera aufnahmen, bescherte ihm damals das in den Staaten kommerziell tödliche X-Rating.
Inzwischen gilt HENRY als Klassiker des Genres und das zu Recht, nur bedauerlich, dass McNaughton danach nie wieder einen ähnlich mitreißenden und kontroversen Film abgeliefert hat, sieht man mal von dem sehr unterschätzten NORMAL LIFE von 1996 ab.
In diesem Jahr entstand auch recht verspätet mit HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER PART II eine Fortsetzung beziehungsweise eine Variation von McNaughtons Film, gedreht von Chuck Parello und natürlich auch nicht mit Michael Rooker als Henry, der sich inzwischen in Hollywood als Schauspieler etabliert hatte.
Dafür taucht McNaughton als Produzent auf, und dessen Bruder Robert war erneut an der Musik beteiligt, ein insgesamt etwas billiger Synthie-Score, aber mit durchaus beeindruckender enervierender Qualität, was man auch noch in Parellos Film spüren kann.
Damals hatte mich der Film nicht sonderlich beeindrucken können, aber bei einer neuerlichen Sichtung muss man ihm auf jeden Fall bescheinigen, dass er eine ähnlich kontroverse Dimension besitzt und eine vergleichbare milieubedingte Trostlosigkeit.
Und so irrt Parellos Henry zu Beginn als Obdachloser durch die Gegend, bis er bei einer kleinen Firma für Baustellentoiletten unterkommt und bei seinem Kollegen Kai und dessen Frau wohnen kann.
Allerdings ist Kai auch noch anderweitig aktiv, da er im Auftrag von Leuten Feuer in Gebäuden legt, um die Versicherung zu bescheißen. Henry wird dabei sein Komplize, gleichzeitig ist Kai fasziniert von dessen sich irgendwann offenbarender fehlender Tötungshemmung, ähnlich wie das bei Otis im ersten Film der Fall war.
Eine unglückselige Verbindung und so folgt auf eine kurze soziale Integration des Psychopathen das bittere Ende, das bei Parello leider viel zu abrupt kommt und wenig überzeugend ausfällt, als ob dem Film einige Minuten fehlen würden.
Etwas fehlte hier tatsächlich, denn Parello musste damals einige Gewaltszenen kürzen, damit es ihm nicht ähnlich erging wie zuvor McNaughton. Inzwischen gibt es in den USA eine Unrated-Fassung des Films, die jetzt auch hierzulande erschienen ist, eigentlich ein Wunder, da in dieser Hinsicht doch alles eher noch weiter gekürzt wird.
HENRY - SERIENKILLER NR. 1 mag wie gesagt nur eine etwas weniger beeindruckende Variation von McNaughtons Film sein, aber Parello bemüht sich auf jeden Fall um eine erfreulich andere, realistischere Umsetzung von Serienkillerfilm-Klischees, inklusive eines etwas deutlicheren sozialen Kommentars.
Und auch sein Hauptdarsteller Neil Giuntoli macht seine Sache gut, ohne allerdings Rookers unberechenbare Gefährlichkeit auszustrahlen. Kein uninteressanter Film, der allerdings zur Enttäuschung wird, wenn man ihn alleine an den Qualitäten des Originals misst.
Die DVD von Epix präsentiert den Film jetzt in ungeschnittener Form, deutlich besserer Bildqualität und einigen Extras wie Audiokommentar mit Chuck Parello, entfallenen Szenen und Trailer.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #85 August/September 2009 und Thomas Kerpen