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HARRY CLOUD

The Cyst

2019 hatte ich mal eine Split-Single von ACID MOTHERS TEMPLE und ORPHAN GOGGLES in diesem Heft besprochen, bei der mich vor allem die japanische Band ACID MOTHERS TEMPLE interessierte, von ORPHAN GOGGLES aus Los Angeles hatte ich noch nie gehört. Deren ruppige Noiserock-Nummer „Hey Bud, how’s your blood?“ mit BUTTHOLE SURFERS-Anleihen hinterließ durchaus Eindruck – ansonsten wurden ORPHAN GOGGLES auch schon mit JESUS LIZARD, MELVINS oder FANTÔMAS verglichen. Was ich nicht wusste: ORPHAN GOGGLES-Mitglied Harry Cloud war auch Betreiber von Whiteworm Records, wo die Single erschien. Ein paar Jahre später halte ich das aktuelle Album von Cloud in den Händen, der schon seit 2012 unter seinem Namen Platten aufnimmt. „The Cyst“ wurde in Zusammenarbeit mit Kitten Robot veröffentlicht, dem Label von Josie Cotton, die schon seit Anfang der Achtziger in der Musikszene von Los Angeles Platten aufnimmt und 1983 auch auf dem Soundtrack von „Valley Girl“ landete (mit Nicholas Cage), neben SPARKS oder MODERN ENGLISH. Zum Umfeld von Kitten Robot gehört auch Hausproduzent Paul Roessler (Keyboarder von DC3), und so verwundert es nicht, dass dessen jüngere Schwester und ehemalige BLACK FLAG-Bassistin Kira dort eine Platte veröffentlichte. Clouds von Roessler produzierte Platte bekommt schon mal die volle Punktzahl fürs ekelige Cover, einem Foto von Cloud, denn die titelgebende Zyste ist eine Nachbildung seines Kopfes, die über seinem Auge klebt. Musikalisch sind auch hier die BUTTHOLE SURFERS gut spürbar, ebenso wie CAPTAIN BEEFHEART, aber Cloud gelingen trotz des insgesamt eher schrägen und sperrigen Songwritings auch immer wieder erstaunlich melodische Momente mit bizarren Hitqualitäten. Eine Art Weirdo-Art-Pop von eher fordernder Qualität, der es mit seiner stilistischen Unberechenbarkeit seinem Publikum bewusst schwer macht, aber bei dem sich Chaos und Ordnung gekonnt die Waage halten.