Wie beschreibt man eines der für einen persönlich zehn besten Alben aller Zeiten? Und zwar so, dass andere das noch nachvollziehen können? Auf jeden Fall nicht mit "Good drinking music", wie es die Time Out London laut Promo-Beilage getan hat.
Das ist völliger Blödsinn, und es ist meiner Meinung nach kontraproduktiv, so eine Kritik mitzuschicken - es sei denn, der Hörer trinkt Zyankali, so ist nämlich die Atmosphäre der Platte.
Ein Piñata ist ein Kinderspielzeug, das man bei Partys an die Decke hängt, und dann müssen alle kleinen Gäste mit irgendwelchen Gegenständen draufhauen. Auf dem Cover der CD, wenn ich das mal veranschaulichen darf, sieht man denn auch auf einem Nachttisch einen solchen Piñata stehen, und daneben auf einem Hocker die Beine eines Menschen, der sich wohl gerade erhängt.
Alles in Allem mein Albumtitel des Jahrhunderts. Und ungefähr so ist auch die Wirkung des Albums, die ich einmal mit Leonard Cohens "Songs Of Love And Hate" vergleichen möchte (sind ja auch beides Kanadier).
Über Letzteren wurde einmal gesagt, seine Lieder seine so schön, dass man sich die Pulsadern aufschneiden wolle, und das Zitat klaue ich einfach mal für diese Rezension. Neville Quinlan Arbuckles Stimme hört sich an wie die Nick Noltes auf dessen legendärer Berliner Pressekonferenz, nachdem er wohl die ganze Nacht durchgesoffen und -geraucht hat, aber nicht ganz so extrem wie bei Tom Waits.
Die meisten Lieder sind mit Akustikgitarre und ein, zwei weiteren sich abwechselnden Instrumenten wie Akkordeon eingespielt, und wenn einmal ein Schlagzeug dabei ist, dann fällt das meistens gar nicht auf, so fesselnd ist der Gesang.
Heute wird das als Alternative Country bezeichnet, soll mir recht sein, wenn solche Begriffe dazu beitragen, dass man diese ganze Musik nicht in einen Topf wirft. Das auch auf dem Six Shooter Records-Sampler "Beauty Passes Like A Dream" enthaltene "Skydive home" ist das stärkste Lied auf dem Album (meine kanadische Freundin meint, die Lyrics wären "very Canadian"), aber ich könnte auch verstehen, wenn irgendjemand ein anderes Lied (beispielsweise den herzzerreißenden "Song for Kathleen O'Hara") hervorheben würde.
Laut Booklet (das leider nur aus einer Seite besteht, folglich keine Texte) haben sich eine Menge Leute bei und um Six Shooter Records für das Album eingesetzt, das von Luke Doucet produziert wurde.
Dem Dank an diese kann ich mich nur anschließen. Übrigens ist "Hanging The Battle-Scarred Piñata" schon etwas mehr als drei Jahre alt, und mittlerweile gibt es seit März mit "The Last Supper In A Cheap Town" schon den würdigen Nachfolger auf dem nordamerikanischen Markt.
Man kann nur hoffen, dass dieses bald auch hier erhältlich sein wird. Da hätten wirklich alle was von. (37:34)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #63 Dezember 2005/Januar 2006 und Myron Tsakas