EVENS

The Odds

Was macht eigentlich ... Ian MacKaye? Er widmet sich mit seinem Label Dischord der Traditionspflege, legt D.C-Hardcore-Klassiker in überarbeiteter Form neu auf, füllt das Download-Archiv mit (so ist es geplant) allen Konzertmitschnitten von FUGAZI auf – und erweckt mit seinem eigenen musikalischen Schaffen den Eindruck, dass ihn Hardcore nicht mehr interessiert.

Geschenkt, die Jahre vergehen, wer braucht alte Männer auf Festivalbühnen, die sich für zehntausende Euro Gage haben überzeugen lassen, dass da Kids und alte Fans gleichermaßen Lust auf Nostalgie haben? So gesehen verdient MacKaye Respekt dafür, dass er die – und ich bin sicher, die Festivalveranstalter dies- und jenseits des Atlantiks versuchen es für jede Saison aufs Neue – sehr verlockenden Angebote (anders als REFUSED) für ein paar FUGAZI-Reunions konsequent zurückweist.

Entsprechend haben sich FUGAZI seit 2003 in den Status einer „Auszeit von unbestimmter Dauer“ begeben, was alle Optionen offen lässt: entweder sie spielen nie wieder oder hier und da mal, wenn die Kinder (Ian und Amy Farina bekamen 2008 Kinder, Joe Lally lebt mit Frau und Kind in Rom, Brendan Canty ist verheiratet, hat vier Kinder) „aus dem Gröbsten raus“ sind, oder es kommt, als kompromisslose Maximal-Lösung, zu einem neuen Album nebst Welttournee.

Aber all das ist pure Spekulation, gemischt mit etwas Wunschdenken. Ian MacKaye ist ein Mensch mit sehr klaren Vorstellungen (siehe Interview in Ox #91) und wenig Interesse an halbgaren Kompromissen, für ein Ende der Auszeit müssten also alle Rahmenbedingungen stimmen.

In der Zwischenzeit lebt MacKaye seine musikalischen Bedürfnisse weiterhin mit THE EVENS aus, jenes Duo, das er 2001 zusammen mit seiner Lebensgefährtin Amy Farina (Gesang, Drums, ex-THE WARMERS) gründete.

Das Debüt „The Evens“ erschien 2005, „Get Evens“ 2006, mit der Geburt ihres Sohnes Carmine Francis kam 2008 eine Babypause, 2011 dann die „2 Songs“-7“ – und nun mit „The Odds“ ein neues Album.

Dessen 13 Songs warten, wenn man die bisherigen Platten kennt, mit keinen Überraschungen auf, man hat dann, wenn Ian singt (meist ist aber Amy zu hören) und Baritongitarre spielt, das Gefühl, einer Akustikversion von FUGAZI zu lauschen, denn seine Gitarrenläufe haben einfach diese spezielle Rhythmik und Melodik, die immer wieder an den FUGAZI-Überklassiker „Waiting room“ denken lässt.

THE EVENS sind eine sehr reduzierte, leise Band, was man schon daran erkennt, dass MacKaye im Sitzen spielt, mit dem appellativen Charakter all der Lagerfeuer-Punksänger in Chuck Ragan-Nachfolge hat das aber nichts zu tun – auf der „Revival Tour“ würden THE EVENS deplatziert wirken, sie suchen sich andere Locations wie Buchläden, Kulturzentren, etc.

Keine Frage, „The Odds“ und THE EVENS ganz allgemein sind sehr angenehme musikalische Begleiter, aber wenn ich ganz ehrlich bin: sie können mich nicht begeistern. Die Songs sind gut, aber wirken nur nett durch die lauwarme Interpretation.

Ich will Ian MacKaye (und ich glaube ihm nicht, dass er so verdammt ruhig und ausgeglichen sein will) einfach mal wieder wütend, laut und aggressiv erleben. Wie das gehen könnte? Vic Bondi macht es ihm mit DEAD ENDING vor ...