Wenn seit der letzten Liveplatte gerade mal zwei reguläre Alben erschienen sind - "Rock'n'Roll Realschule" zähle ich weder als reguläres Album noch als richtige Liveplatte, irgendwas dazwischen vielleicht - muss man schon zu einem kleinen Trick greifen, um eine Zweitverwertung plausibel erscheinen zu lassen.
Und was liegt im digitalen Zeitalter näher, als eine DVD zu machen? Wobei bei DIE ÄRZTE das ansonsten böse Wort "Zweitverwertung" keinen faulen Beigeschmack hat, denn auch in so einem Fall ist davon auszugehen, dass die Qualität die vergleichbarer Releases anderer Bands - teilweise auch die ihrer Studioveröffentlichungen - weit übertrifft.
Man bekommt, was man als treuer und solventer DIE ÄRZTE-Freund verdient. Die Fakten also: Zwei in Oberhausen im Dezember 2003 mitgeschnittene Konzerte, die mittels modernster Technik zu einem zusammen geschnitten worden sind, präsentiert auf zwei DVDs im schicken 16:9-Format und mit wahlweise 5.1-Ton - den tieferen Sinn von Mehrkanalton bei Punkrock muss mir allerdings wirklich mal jemand erklären - und eine gefühlte Spielzeit von angeblich sechs Stunden.
Um sich aber wirklich sechs Stunden unterhalten zu lassen, muss man sich schon mehrmals durch die DVDs gucken, was angesichts der diversen Möglichkeiten der Betrachtung der DVDs wohl auch so von den Machern gedacht war.
An der Songauswahl gibt's je nach Lust und Laune was zu meckern oder auch nicht, jeder hat ja so seine Favoriten und würde zugunsten eines seiner persönlichen Hits gerne auf einen anderen Song verzichten.
Diskussionen darüber finden sich sicherlich in den einschlägigen Internet-Foren. Bei ungefähr 44 Songs auf "Die Band, die sie Pferd nannten" sollte aber eigentlich jeder wenigstens einen Teil seiner Favoriten wiederfinden.
Für meinen Geschmack ist das DIE ÄRZTE-Werk hier jedenfalls sehr gut wiedergegeben, und auch die Atmosphäre eines DIE ÄRZTE-Konzerts kommt sehr gut rüber. Jedenfalls bei einer Bilddiagonale von ungefähr zwei Metern über meinen Beamer.
Wer dieses oder letztes Jahr auf einem ihrer Konzerte war, weiß was ihn erwartet. oder sie erwartet. Sehr gelungen sind auch die bei manchen Songs wählbaren verschiedenen Kameraperspektiven, der Blick aus dem Publikum auf die Bühne inklusive eines etwas matschigeren Sounds als bei den anderen Einstellungen macht schon ziemlich Spaß.
Aber auch eine andere DVD-typisches Spielerei wurde amüsant umgesetzt: Bei der ersten DVD lässt sich eine zweite Audiospur dazuschalten, auf der ein völlig Bekloppter die komplette Laufzeit über alle Lieder mitsummt.
Wer sich das länger als ein paar Minuten antut, wird nicht minder verrückt sein. Auf der zweiten DVD dagegen kann man sich die Songs von DIE ÄRZTE kommentieren lassen. Dabei wechseln sich die drei allerdings ab, was sicherlich eine gute Entscheidung war.
Von dem Chaos, was entstanden wäre, hätte man alle drei gleichzeitig quatschen lassen, kann man sich schon während der zwei Mikroübergaben einen Eindruck verschaffen, bei denen kurzzeitig zwei alberne DIE ÄRZTE-Mitglieder ihre ungeheuer fachmännischen Kommentare zum Geschehen auf der Bühne zum Besten geben.
Aber auch jeder für sich kann mit genug Blödsinn überzeugen .Sehr, sehr unterhaltsam. Dass es teilweise aber doch stark auffällt, dass die Aufnahmen von zwei verschiedenen Konzerten stammen - da ist bei einem frühen Song auf der ersten DVD von dem "gestrigen" Auftritt in Oberhausen die Rede, während die zweite DVD mit dem Finale des ersten Abends endet - mindert trotzdem nicht den großen Unterhaltungswert von "Die Band, die sie Pferd nannten".
Auf der Bandwebsite gibt's übrigens ein über siebzig Seiten starkes Handbuch, dessen Studium vor der Benutzung der DVD an dieser Stelle wärmstens empfohlen wird.
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