Für kreativ so umtriebige Bands, wie KAONASHI eine sind, bietet es sich geradezu an, den eigenen Tatendrang, die Ungeduld, Informationsüberflutung und expressive Musikalität in Konzepten auszuleben. Das garantiert das nötige Mindestmaß an Struktur und hilft, die Gedanken zumindest ein Stück weit absichtsvoll zu kanalisieren. Wie würde „Dear Lemon House, You Ruined Me: Senior Year“ wohl klingen, wenn das Quintett nicht die Story seiner 2018er Konzept-EP „Why Did You Do It?“ fortspinnen und Jamie während seines Abschlussjahrs in der Lemon House High School begleiten würde? Angesichts jugendlicher Unsicherheit, Spontanität, innerer Kämpfe, verwirrender Emotionen und unvermeidlicher Konflikte klingen KAONASHI exakt so, wie man es sich erhofft hat und es zu erwarten war. Die Band bleibt eine musikalische Wundertüte, deren breitgefächertes Treiben Schwerpunkte zwischen experimentellem Hardcore, Mathrock, Chaos, Post-Hardcore, Metalcore, und Djent/Progressive setzt. Den Musikern aus Philadelphia, die selbst von Emo-Mathcore sprechen, scheint stark daran gelegen, sich jeglicher Konventionen zu verwehren und stets eigene Lösungsmuster anbieten zu wollen. Gesagt, getan. „Dear Lemon House, You Ruined Me: Senior Year“ ist eine Platte, der man sich mit Aufgeschlossenheit und offenen Ohren nähern muss. Die Beschäftigung mit der nicht alltäglichen Hardcore-Auslegung von KAONASHI lohnt – sowohl musikalisch als auch textlich.
© by Fuze - Ausgabe #89 August/September 2021 und Arne Kupetz
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