Seine Strahlkraft als exzeptionelles Label mit prägender Wirkung auf die (Post-)Hardcore-Szene hat Dischord eingebüßt, auch wenn das viele alte Fans nicht wahrhaben wollen. Dischord ist zu einem Nostalgie-Unternehmen geworden, das sich vor allem dem Aufbereiten der glorreichen Vergangenheit widmet, sprich: der Neuauflage remasterter Klassiker aus den Achtzigern und Neunzigern.
Die Dokumentation der gegenwärtigen Musikszene der US-Hauptstadt? Das übernehmen andere. 2008 erschien auf Dischord keine einzige neue Platte, 2009 immerhin drei, und siehe da, 2010 bislang zumindest eine, das zweite MEDICATIONS-Album.
Deren Debüt kam 2005, und wie im Hause Dischord üblich, waren/sind hier keine Menschen aktiv, die man nicht vorher schon mal im Dischord-Universum verorten konnte: Chad Molter war unter anderem bei FARAQUET, Devin Ocampo ebenfalls und zudem bei BEAUTY PILL und SMART WENT CRAZY, und für den ausgestiegenen Andy Becker kam Mark Cisneros.
Das Ergebnis ist erneut ein wundervolles Album, das eine Myriade von Einflüssen offenbart und stilistisch zwar ganz grundsätzlich ins Dischord-Weltbild passt, also im weitesten Sinne Post-Punk-Rockmusik ist, aber von Powerpop über Psychedelic und „Sophisti-Pop“ (ein Begriff, der mir bislang unbekannt war und eben über den Weg lief) ein denkbar weites Spektrum abdeckt.
David Bowie, Syd Barrett, Nick Drake und Ornette Coleman werden von der Band gleichermaßen als Inspiratoren genannt, und das ist hilfreich und verwirrend zugleich. Für mich ist es höchst angenehme, zeitlose Musik, die ich jedem ans Herz legen kann, der mit dem Schaffen der Dischord-Bands seit den späten Neunzigern vertraut ist.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #61 August/September 2005 und Joachim Hiller