Verrückte Welt: Zu der Zeit, als ich noch großer SLAYER-Fan war, galten sie in der Hardcore-Szene im besten Fall als tumbe Metaller, im schlimmsten aber als Nazis. Und heutzutage werden sie von Teilen genau dieser Szene abgöttisch verehrt, ihre Musik schamlos kopiert und alle Kontroversen, die immer wieder um SLAYER aufkamen, sind vergessen und vergeben.
Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um SLAYERs neuntes reguläres Studioalbum "Christ Illusion", das erste seit 1990 in Originalbesetzung mit dem zurück gekehrten Dave Lombardo. Und ja, "Christ Illusion" ist eventuell wirklich die beste SLAYER-Platte seit "Seasons In The Abyss" - kommt an diese und ihre beiden Vorgänger aber nicht ran.
Was daran liegt, dass "Christ Illusion" als Gesamtwerk zwar unglaublich intensiv und brillant ist, diverse einzelne Momente in den Stücken nicht minder grandios sind, aber herausragende Songs abermals fehlen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Musikalisch sind SLAYER hier so gut wie schon lange nicht mehr, der kleine Schritt "back to the roots" samt Erhöhung des Tempos macht sich da positiv bemerkbar (die modernen Elemente der letzten nicht voll überzeugenden Platten sind aber streckenweise noch vorhanden).
King und Hannemann haben sich die denkbar brutalsten Riffs seit langem ausgedacht, Arayas Gebrüll ist immer noch herrlich fies und Lombardos Schlagzeugspiel natürlich über alle Zweifel erhaben.
Aber einen Hit wie "Postmortem", "South of heaven" oder "Dead skin mask" gibt es auch auf "Christ Illusion" wieder mal nicht. Auf solch einen oberflächlichen Reiz mag es den meisten Hörern zwar nicht ankommen, mir ist so etwas aber nicht unwichtig.
Den Hörgenuss schmälert das kaum, aber dadurch kommt "Christ Illusion", wie gesagt, eben an die Glanztaten SLAYERs nicht ganz ran. Irgendwie schade ist auch, dass man SLAYER mittlerweile überhaupt nicht mehr ernst nehmen kann.
Oder was soll man von einem Sänger halten, der als bekennender Christ eine Art Konzeptscheibe gegen Religion einsingt und ganz offen dazu steht, hier nur eine Rolle auszuüben? Aber er war/ist ja auch ein Freund des Pinochet-Regimes in Chile, da wundert sich ja auch keiner mehr drüber.
Dennoch: "Christ Illusion" ist eine ganz hervorragende Platte, das will ich nicht anzweifeln. (9)
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