Die Schlüsselszene dieses Buches kommt ziemlich am Ende. Die Saxofon-Legende der E STREET BAND, Clarence „Big Man“ Clemons, ist gestorben. Als möglicher Nachfolger erscheint dessen Neffe Jake zum Vorspielen beim Boss – mit der Bemerkung, er habe die ihm aufgetragenen Soli geübt und „einigermaßen drauf“.
Einigermaßen. Es ist ein Wort, das im Kosmos Bruce Springsteens nicht existiert. Denn „einigermaßen“ bedeutet Mittelmaß. Also flippt der Boss aus und schmeißt den kleinen Clemons achtkantig raus.
Und genauso ist „Born To Run“, diese Autobiografie eines Mannes, der zu den letzten Stadionacts der Welt gehört und der trotzdem auch vielen dem Punk verpflichteten Menschen mindestens als existenzberechtigt, meist aber gar als Gleichgesinnter gilt: Nichts an diesem Buch, für das Springsteen keinen Co-Autor benötigte, ist „einigermaßen“.
„Born To Run“ beschreibt eine Karriere, die nur langsam und stotternd und unter vielen Entbehrungen ins Laufen kam. Und die dann doch im weltweiten Erfolg einer der besten Rock’n’Roll-Bands aller Zeiten mit einem Sänger mündete, der bis heute seinen klaren Blick für politische Entwicklungen und soziale Ungerechtigkeiten nicht verloren hat.
Es liefert Einblicke in Springsteens Innerstes, das vor allem aus einem zerrütteten Verhältnis zum Vater und schweren Depressionen besteht. Und es ist eine kleine Geschichte der amerikanischen Kultur und Gesellschaft, die von Rassismus, ungesundem Selbstbewusstsein, dem langsamen Sterben des amerikanischen Traums und – natürlich – vom Rock’n’Roll, vom Soul und vom Blues geprägt wurde.
Und bitte Hände weg vom Hörbuch! Thees Uhlmann mit seiner schnoddrigen Sprache ist als Vorleser eine Fehlbesetzung.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #129 Dezember16/Januar17 2016 und Frank Weiffen