Die in Europa bislang weitestgehend unbekannte Band THE PAX CECILIA hat einen radikalen Weg der Verweigerung gegenüber bestehender Marktmechanismen eingeschlagen, der in diesem Ausmaß, in einem vielfach nur mehr als Geste existierendem Underground, lange nicht zu bestaunen war.
Der Band ist mit ihrem Debütalbum ein Rundumbefreiungsschlag gelungen. Die Jungs aus Rochester, New York scheinen sich jeglicher Limitierungen entledigt zu haben, und verfolgen sowohl distributionstechnisch als auch musikalisch einen denkbar freiheitlichen Ansatz.
Auf Labels, Promo-CDs und ähnlichen Firlefanz wird intentional verzichtet, die Musik ist so umfassend, dass sie mit den üblichen Begriffen und Mechanismen der Musikverwertungsmaschinerie weder adäquat zu fassen noch aufzuarbeiten ist.
"Blessed Are The Bonds" ist, wie bereits auch sein Vorgänger, ausschließlich über die Bandwebsite zu beziehen. Mehrere tausend Stück wurden zunächst in Form eines physischen Tonträgers verschickt, fortan erfolgt der Versand ausschließlich als Datentransfer via Internet.
Das Interessante daran: die Band fragt nicht nach Bezahlung, sondern bietet die Möglichkeit an, freiwillig Spenden zu entrichten. Der Rezipient wird dadurch aus der Rolle des passiven Konsumenten befreit.
Er wird als mündiges Gegenüber akzeptiert, dem so eine gewisse Verantwortung nicht abgesprochen, sondern vielmehr übertragen wird. Die eigenverantwortliche Entlohnung der Künstler fällt aufgrund der Substanz des Werkes auch gar nicht schwer.
Von der Ästhetik und der Uneingeschränktheit im Ausdruck am ehesten DREDG ähnelnd, schlagen THE PAX CECILIA musikalisch jedoch in eine etwas andere Kerbe. Sie spannen den Bogen von Klassik über Ambient hin zum modernen Hardcore.
Zwischendurch durchqueren sie diverse subkulturellen Klangwelten und erschaffen daraus ihren völlig eigenen musikalischen Kosmos. Unglaublich viele Ideen werden zu einem großen Ganzen verflochten.
Das Resultat ist ein enorm facettenreiches Art-Rock-Album, welches dabei aber nicht einmal ansatzweise zerklüftet wirkt. Piano-Sätze à la Frederic Chopin stehen dabei wie selbstverständlich neben Gewaltausbrüchen der Marke CIRCLE TAKES THE SQUARE und großflächig angelegte, brave Soundlandschaften im GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR-Stil vereinigen sich mit der ruppigen Epik von BURIED INSIDE.
"Blessed Are The Bonds" verweilt nicht in einer Stellung, langweilt nicht mit ständigen Wiederholungen seiner selbst und ist im Endeffekt einfach ein unvergleichliches, progressives Werk mit großem intellektuellem Tiefgang.
Ein Album, das in seiner Frische und Kompromisslosigkeit die Möglichkeiten von Ambient, Art-Rock und jeglichem Progressiv-Kram aus der Punk/Hardcore- und Metal-Ecke neu konfiguriert. Auf dem amerikanischen Nordkontinent hat sich die Band mit diesem Ansatz bereits einen Namen gemacht.
Bin gespannt, wie der europäische Underground mit dieser geistigen Frischluftzufuhr umzugehen vermag.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #79 August/September 2008 und Konstantin Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Konstantin Hanke